
In der Bildungslandschaft Deutschlands rumort es seit dem wegweisenden Urteil des Bundessozialgerichts, das im Jahr 2022 eine abhängige Beschäftigung von Honorarkräften in Bildungseinrichtungen festgestellt hat. Diese Entscheidung, bekannt als das Herrenberg-Urteil, stellt die Regelungen für selbständige Lehrer und Dozenten auf den Kopf. Schwäbische.de berichtet, dass Edina S., eine 38-jährige Lehrerin, seit über einem Jahrzehnt Deutsch als Fremdsprache in mehreren Städten unterrichtet. Sie nutzt die Vorzüge der Selbstständigkeit, um ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten und unterschiedlichen Bildungseinrichtungen ihre Dienste anzubieten.
Das Gerichtsurteil hat jedoch zu einer erhöhten Rechtsunsicherheit für selbständige Lehrkräfte geführt. Viele Bildungseinrichtungen und Lehrer sind besorgt über die Möglichkeit, dass diese rechtlichen Änderungen ihre Existenz bedrohen könnten. Edina S. äußert Bedenken über die Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, die für zahlreiche Bildungseinrichtungen eine enorme Belastung darstellen würden. Ein Verhältnis von fast 190.000 Honorarkräften, die bundesweit an Volkshochschulen tätig sind, könnte durch die zusätzlichen finanziellen Anforderungen erheblich unter Druck geraten.
Übergangsregelung für Bildungseinrichtungen
Um den Bildungsträgern Zeit für Anpassungen zu geben, hat der Bundestag am 30. Januar 2025 eine Übergangsregelung beschlossen. Diese gilt bis Ende 2026 und erlaubt es den Einrichtungen, zunächst keine Sozialversicherungsbeiträge für selbständige Lehrer zu zahlen, sofern sie und die Lehrkräfte bei Vertragsschluss von einer Selbstständigkeit ausgegangen sind. BMAS.de hebt hervor, dass diese Regelung nur mit dem Einverständnis der Lehrkräfte wirksam ist. Dies soll dazu beitragen, die Unsicherheit zu verringern und die Arbeitsweisen von Lehrern und Bildungsträgern während der Übergangsphase zu sichern.
Tobias Diemer, Direktor des Volkshochschulverbands Baden-Württemberg, warnt, dass eine verpflichtende Festanstellung von Honorarkräften zu einer „Kostenexplosion“ führen könnte und damit letztlich das Kursangebot gefährden würde. Bei den Volkshochschulen könnte der Mehraufwand an Lohnnebenkosten über 150 Millionen Euro betragen. Für Edina S., die auch an Volkshochschulen arbeitet, stellen sich daher große Fragen ob ihrer Zukunft in der Bildung.
Stimmen aus der Branche
Ingo Sadewasser, Vorsitzender des Landesverbands der Musikschulen Baden-Württemberg, berichtet von einer Tendenz zur Festanstellung, wobei bereits etwa 80% der Musikschullehrer fest angestellt sind. Einige Musikschulen haben die Umwandlung von Honorarkräften in Festanstellungen bereits umgesetzt, ohne dass die Eltern höhere Gebühren zahlen mussten. Diese Entwicklung könnte sich in der gesamten Bildungslandschaft manifestieren, wenn die neuen Regelungen vollständig in Kraft treten.
Monika Stein von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert unterdessen faire Beschäftigungsbedingungen im Bildungssektor. Sie plädiert für ein Bundestariftreuegesetz, um die Rechte der Lehrkräfte besser zu schützen. Lina Seitzl, eine Abgeordnete der SPD im Bundestag, unterstützt diese Position und betont, dass Lehrtätigkeiten auch in Zukunft sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch selbstständig möglich bleiben sollten.
Die Situation bleibt angespannt, auch wenn die Anzahl der Integrations- und Berufssprachkurse in den letzten Jahren gestiegen ist und im Jahr 2023 rund 360.000 Menschen einen Integrationskurs begonnen haben. Edina S. hofft, trotz der Unsicherheiten, ihre freiberufliche Tätigkeit fortsetzen zu können, da sie ihre Arbeit mit Zugewanderten sehr schätzt. Volkshochschule.de bezeichnet die Übergangsregelung als wichtigen Schritt in die richtige Richtung, doch der Dialog über langfristige Lösungen wird nach der Bundestagswahl fortgeführt. Ziel bleibt, angemessene Lösungen zur sozialen Absicherung der Lehrkräfte im Bildungsbereich zu schaffen.