
Der Übergang von nomadischen zu sesshaften Lebensweisen markiert einen der prägendsten Einschnitte in der Menschheitsgeschichte und wird als neolithische Revolution bezeichnet. Diese Epoche, die vor mehr als 10.000 Jahren begann, führte zur Entwicklung der Landwirtschaft und dauerhaften Siedlungen, insbesondere im fruchtbaren Halbmond, wo sich die ersten agrarischen Gesellschaften formierten. Der Weg in eine sesshafte Lebensweise und die damit verbundenen Innovationen werfen jedoch die Frage auf, ob dies auch zu einer Zunahme sozialer Ungleichheit führte. Eine neue Studie, die von einem internationalen Team von Wissenschaftlern aus Deutschland, Großbritannien und den USA durchgeführt wurde und in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht wurde, bietet nun ein differenzierteres Bild.
Die Forschung basiert auf der globalen Datenbank des GINI-Projekts, das über 50.000 Datensätze zu menschlichen Behausungen in den letzten 20.000 Jahren umfasst. Die Studienautoren, angeführt von Prof. Dr. Tim Kerig, untersuchten Daten, die sich über einen Zeitraum von 2000 Jahren vor und nach dem ersten Auftreten von Landwirtschaft erstrecken. Die Ergebnisse zeigten, dass die Einführung grundlegender Innovationen wie der Nutzung neuer Nutzpflanzen und der Domestizierung von Tieren nicht zu einem Anstieg der sozialen Ungleichheit führte, weder global noch in spezifischen regionalen Fallstudien. Vielmehr ergaben die Forschenden, dass diese Innovationen bestehende Ungleichheiten möglicherweise sogar beseitigten.
Stabilität der Gleichheit in der Jungsteinzeit
Die Untersuchung ergab, dass Gesellschaften der Jungsteinzeit ihre Wirtschaftssysteme so organisierten, dass die Produktivität gesteigert wurde, ohne dass eine Zunahme der Ungleichheit zu beobachten war. Diese Stabilität in der gesellschaftlichen Gleichheit hielt über 100 Generationen an. Ein bemerkenswerter Punkt der Studie ist, dass steigende Produktivität nicht zwangsläufig zu Wohlstandsungleichheit führt. Durch die Analyse der Daten können nun neue Perspektiven auf die soziale Struktur und die Wirtschaft der Jungsteinzeit gewonnen werden.
Zusätzlich zu diesen Erkenntnissen liefern Archäologen wie Alexander Bentley von der University of Bristol wichtige Hinweise auf den sozialen Status im Neolithikum. In deren Forschungen wird festgestellt, dass Ungleichheit, soweit sie nachweisbar ist, erst vor etwa 7.000 Jahren im frühen Neolithikum begann. Diese Ungleichheit manifestierte sich damals durch Besitztümer wie Steinaxt, die oft mit ins Grab gelegt wurden, was auf eine Art von sozialem Status hinweist. Studien von über 300 neolithischen Skeletten aus Mitteleuropa unterstützten diese Erkenntnisse und zeigten, dass Axt-Besitzer häufig einen besseren Zugang zu fruchtbarem Boden hatten.
Die gesellschaftlichen und gesundheitlichen Herausforderungen
Die neolithische Revolution brachte nicht nur soziale Veränderungen mit sich, sondern hatte auch Konsequenzen für die Gesundheit der Menschen. Die frühen Ackerbauern, welche ihre Ernährung vorwiegend pflanzlich gestalteten, litten häufig unter Mangelerscheinungen. Hohe Kariesraten und der Hinweis auf Krankheiten wie Tuberkulose wurden in archäologischen Funden dokumentiert. Diese gesundheitlichen Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Sesshaftigkeit und der veränderten Lebensweise dieser frühen Gesellschaften.
Insgesamt zeigt die umfassende Analyse der neolithischen Periode, dass es zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen gibt, wenn man die Transformation der menschlichen Gesellschaften betrachtet. Der Begriff „neolithische Revolution“, geprägt von Vere Gordon Childe, vermittelt den Eindruck schneller Veränderungen, während der Prozess in Wirklichkeit schrittweise war und durch vielfältige soziale, wirtschaftliche und gesundheitliche Dynamiken geprägt wurde.
Die ergänzenden Informationen über die neolithischen Entwicklungen verdeutlichen die langfristigen Auswirkungen dieser Ära auf Gesellschaftsstrukturen, Ernährung und das Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt. Weitere Artikel in dem Sonderband „The Global Dynamics of Inequality over the Long Term“ beleuchten die komplexen Wechselwirkungen zwischen sozialen Strukturen, Wirtschaft und Produktivität seit der Jungsteinzeit und bieten wertvolle Erkenntnisse für unser Verständnis der Menschheitsgeschichte.