
Die Türkei steht als NATO-Mitglied vor bedeutenden Veränderungen, während Präsident Recep Tayyip Erdogan seine militärischen Ambitionen weiter verfolgt. Mit der zweitgrößten Armee innerhalb der NATO hat die Türkei militärisch und außenpolitisch an Bedeutung gewonnen, trotz ihrer internen Herausforderungen und der angeschlagenen Wirtschaft. Der Druck auf NATO-Partner und geopolitische Rivalitäten prägen das Handeln der Türkei, die dafür auch enge Beziehungen zu Russland, China und dem Iran pflegt, während sie gleichzeitig ein EU-Beitrittskandidat bleibt. Erdogans Drohungen mit militärischen Interventionen verstärken die bereits komplizierte internationale Lage und werfen Fragen zur Loyalität der Türkei innerhalb des westlichen Militärbündnisses auf.
Unter der Präsidentschaft von Joe Biden war das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei angespannt. Die Entscheidung, die Türkei aus dem F-35-Programm zu suspendieren, ist nur ein Beispiel für die Konfliktlinien. Ein Lichtblick für Erdogan war die jüngste Zusage der USA, F-16-Kampfflugzeuge zu liefern, die er erhielt, nachdem er sein Veto gegen den NATO-Beitritt Schwedens aufgehoben hat. Dies ist ein bedeutender Schritt, der zeigt, wie strategische Überlegungen oft über politische Differenzen hinaus wirken. Daneben soll die Türkei Modernisierungskits für bestehende F-16 erhalten, wobei der genaue Zeitpunkt der Lieferung unklar bleibt.
Militärische und wirtschaftliche Kapazitäten
Die militärischen Ausgaben der Türkei wachsen rasant und belaufen sich für 2024 auf rund 47 Milliarden Dollar, verglichen mit 15,8 Milliarden Dollar im Jahr 2023. Dies zeigt Erdogans Entschlossenheit, die militärische Selbstständigkeit zu stärken. Die Türkei entwickelt nicht nur eigene Drohnen und Waffensysteme, sie hat auch große bedeutende Handelsbeziehungen mit Russland, mit einem jährlichen Handelsvolumen von über 60 Milliarden US-Dollar. Dies wirft die Frage auf, wie die NATO-Partnerschaft mit den strategischen Zielen der Türkei zu vereinbaren ist.
Politikwissenschaftlerin Selin Nasi beschreibt das Verhältnis zwischen der Türkei und der NATO als komplex und im Graubereich. Ihre militärischen Alleingänge, wie die Intervention in Nordsyrien 2018, und die Blockade des NATO-Beitritts von Finnland und Schweden haben bereits zu Diskussionen über die Zugehörigkeit der Türkei zur Allianz geführt. Dennoch ist die Türkei seit 1952 NATO-Mitglied und sichert die Südostflanke Europas. Zudem beherbergt sie bedeutende NATO-Luftwaffenstützpunkte in Incirlik und Konya.
- Die militärischen Fähigkeiten der Türkei sind bemerkenswert:
- Die Streitkräfte haben unmittelbare Gefechtserfahrung.
- Die Entwicklung eigener militärtechnologischer Fähigkeiten ist ein langfristiges Ziel.
Experten sehen eine „Emanzipierung“ der türkischen Außenpolitik. Sie argumentieren, dass die Türkei sich zunehmend unabhängig von westlichen Vorstellungen positioniert. Erdogan selbst hat in der Vergangenheit Interesse an einer Mitgliedschaft in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) bekundet, die den Einfluss der NATO möglicherweise eindämmen könnte. In sozialen Medien gibt es sogar Forderungen, die Türkei aus der NATO auszuschließen. Dies stellt die NATO-Gemeinschaft vor eine Herausforderung.
In Anbetracht dieser Situation ist die Frage, welche Bedingungen die USA der Türkei für die F-16-Lieferungen stellen könnten, besonders brisant. Die Auslieferung wird daran geknüpft, dass die Jets nur für NATO-Zwecke genutzt werden dürfen, was Spannungen mit Griechenland, die um die Lufthoheit im Ägäischen Meer kämpfen, weiter verstärken könnte. Die Diskussionen über das S-400-System, das die Türkei von Russland erworben hat, laufen parallel, und US-Außenministerin Victoria Nuland hat angekündigt, dass die Sanktionen aufgehoben werden, wenn dieses Problem gelöst ist.
Die Zukunft der NATO und die Rolle der Türkei sind eng miteinander verbunden. Trotz der Herausforderungen könnte eine enge Zusammenarbeit zwischen der Türkei und ihren NATO-Partnern weiterhin von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit in der Region sein. Turquie bleibt ein unberechenbarer, aber zentraler Akteur innerhalb des Bündnisses.
Für eine detaillierte Einordnung der geopolitischen Zusammenhänge und der militärischen Entwicklung in der Türkei lesen Sie die Berichte auf op-online, fr.de und dw.com.