
Die künftige Amtszeit von Annalena Baerbock (Grüne) als Präsidentin der Vereinten Nationen rückt näher. Ihre Wahl im kommenden Juni wird weitgehend als Formsache angesehen. Allerdings stehen die zukünftigen Positionen ihrer Ministerkolleginnen und -kollegen aus der Ampel-Koalition auf der Kippe. In der Vergangenheit haben viele Minister direkt nach ihrer Zeit im Amt den Übergang in die freie Wirtschaft gewagt. So wechselte zum Beispiel Dirk Niebel (FDP) nur 13 Monate nach seinem Ministeramt zu Rheinmetall, während Daniel Bahr (FDP) sich 10 Monate später mit einem neuen Posten bei Allianz Versicherung profilierte, Rems Zeitung berichtet, dass.
Um solche Wechsel zu regulieren, existieren seit Juli 2015 neue Regeln, die den Übergang von Ministern in die Wirtschaft betreffen. Laut diesen Bestimmungen müssen ehemalige Mitglieder der Bundesregierung innerhalb der ersten 18 Monate nach ihrem Ausscheiden neue Jobs angeben, sofern sie nicht im öffentlichen Sektor tätig werden. Bei den Übergängen spielt ein unabhängiges Gremium beim Kanzleramt eine maßgebliche Rolle. Es bewertet die Wechsel und spricht Empfehlungen zu Karenzzeiten aus, die maximal 12 Monate betragen. In besonderen Fällen können diese auf bis zu 18 Monate ausgeweitet werden. Seit März 2022 gehört Norbert Lammert, Krista Sager und Andreas Voßkuhle diesem Gremium an, das seine Entscheidungen öffentlich im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Regelungen und Kritik
Es gibt jedoch bedeutende Unterschiede in den Regelungen für verschiedene Politikebenen. Bundestagsabgeordnete unterliegen keinen spezifischen Regeln bezüglich ihrer Übergänge in die Wirtschaft. Auch Mitarbeiter in Ministerien müssen potenzielle Wechsel bis zu fünf Jahre nach einer Tätigkeit melden, wobei das Ministerium entscheidet, ob eine Karenzpflicht besteht. In diesem Zusammenhang gibt es immer wieder Kritik von LobbyControl und Abgeordnetenwatch.
Timo Lange von LobbyControl äußert Bedenken darüber, dass solche Wechsel erhebliche Gefahren für die Demokratie darstellen. Sarah Schönewolf von Abgeordnetenwatch fordert mehr Abstand und Transparenz in den Übergängen von der Politik in die Wirtschaft. Deutschlandfunk berichtet zudem, dass Dierßen, die Geschäftsführerin von LobbyControl, eine Karenzzeit für ehemalige Regierungsmitglieder fordert. Ausgelöst wurde diese Diskussion durch den Fall des ehemaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU), der sein Mandat im Bundestag niedergelegt hat und eine Karriere als Unternehmensberater anstrebt. Die derzeitige Regelung mit einer Karenzzeit von 18 Monaten wird als unzureichend betrachtet.
Forderungen nach neuen Regelungen
Um den Seitenwechseln und deren Auswirkungen auf die politische Landschaft entgegenzuwirken, wird vorgeschlagen, dass die Karenzzeit erst mit dem vollständigen Ausscheiden aus der Bundespolitik beginnen sollte. Experten von LobbyControl und Transparency International unterstützen diese Forderung. Sie plädieren für längere Karenzzeiten von bis zu drei Jahren sowie für grundlegende Beschränkungen von Lobbytätigkeiten während dieser Zeit. Zudem wird die Notwendigkeit eines unabhängigen Gremiums zur Beurteilung von Karenzzeitregelungen hervorgehoben.
Die Problematik des Seitenwechsels wird nicht nur als eine Frage der Regulierungen, sondern auch als Ausdruck des Misstrauens in die Politik betrachtet. Es entsteht der Eindruck, dass Politiker:innen Entscheidungen im Sinne zukünftiger Arbeitgeber treffen, besonders wenn die Wechsel zeitnah nach dem Ausscheiden aus dem Amt erfolgen. Ehemalige Politiker:innen bringen wertvolles Know-how und Netzwerke mit, die ihre Anwerbung für wirtschaftlich starke Organisationen attraktiv machen. Dieser Wettbewerb um Einfluss verstärkt Ungleichheiten und schürt das Misstrauen innerhalb der Bevölkerung, wie Lobbypedia ausführlich beschreibt).