
Kinder entwickeln in ihren ersten Lebensjahren ein starkes Bedürfnis nach Nähe und Bindung zu ihren Bezugspersonen. Dieses grundlegende Bedürfnis äußert sich vor allem durch Vorlieben, die häufig einen bestimmten Elternteil betreffen. Laut Weser-Kurier ist es normal, dass Babys und Kleinkinder eine Vorliebe für den Elternteil entwickeln, der sich intensiver um sie kümmert. Ab dem zweiten Lebensjahr beginnen Kinder, den Elternteil zu bevorzugen, der ihre Autonomieentwicklung unterstützt. Diese Präferenzen sind individuell und können sich über die Jahre hinweg ändern, etwa während der Pubertät.
Die Ablehnung eines Elternteils kann für den Betroffenen schmerzhaft sein und zu Konflikten in der Familie führen. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, dass Eltern nicht nur die Vorlieben des Kindes akzeptieren, sondern auch diese nicht persönlich nehmen. Die renommierte Fachfrau Fabienne Becker-Stoll empfiehlt, einige Strategien zu verfolgen: Tägliche gemeinsame Zeit von mindestens 20 Minuten, in der nur positive Erlebnisse im Vordergrund stehen, kann die Beziehung stärken. Diese Zeit sollte entspannt gestaltet werden, ohne Druck für das Kind.
Das Spiel von Bindung und Autonomie
Die Grundlage für die Autonomieentwicklung in den ersten Lebensjahren bildet eine sichere Bindung. Diese wird bereits im ersten Jahr des Lebens eines Kindes gelegt und ist entscheidend für das Selbstwertgefühl und die Fähigkeit, die Umwelt zu erkunden. Laut Kindergartenpädagogik entwickelt sich die kindliche Autonomie besonders um das zweite Lebensjahr, währenddessen Kinder oftmals mit der sogenannten „Trotzphase“ konfrontiert werden. Hierbei erleben sie eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Autonomie und der Bedürftigkeit nach Rückhalt.
Die von John Bowlby beschriebene Bindungstheorie unterstreicht die Wichtigkeit einer sicheren Bindung, welche Kindern ermöglicht, ihre Umgebung gefahrlos zu erkunden. Unsichere Bindungen hingegen können die Entfaltung von Selbstwertgefühl und Explorationsverhalten negativ beeinflussen. Diese Konzepte verdeutlichen, wie sehr sich die emotionale und soziale Entwicklung von Kindern gegenseitig bedingt.
Elternschaft als Teamarbeit
Ein kooperativer Umgang zwischen den Eltern ist essenziell. Becker-Stoll rät dazu, in Gesprächen auf Vorwürfe zu verzichten und Rivalität zu vermeiden. Durch eine Teamarbeit im Erziehungsstil wird ein stabiles Umfeld für das Kind geschaffen. Sind jedoch die Spannungen zwischen den Eltern unüberwindbar, sollte professionelle Hilfe in Betracht gezogen werden, um einen konstruktiven Austausch zu fördern.
Zusätzlich ist die Qualität der Bindung entscheidend für die Entwicklung eines Kindes. Laut Herder wird die Bindungsentwicklung in drei Phasen gegliedert: Zunächst sind Kinder in der Vorphase offen für verschiedene Bezugspersonen, später richten sie ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Personen, und ab etwa acht Monaten zeigen sie klares Bindungsverhalten. Eine sichere Bindung fördert prosoziales Verhalten, während unsichere Bindungen die Entwicklung beeinträchtigen können.
Die Herausforderungen der Elternschaft sind vielfältig. Sie verlangen nicht nur eine Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen, sondern auch mit der Schaffung eines stabilen Rahmens für die Autonomieentwicklung ihrer Kinder. Der Umgang mit Wut und Aggression ist dabei ein zentraler Punkt. Eltern müssen sich der eigenen Verlassensängste bewusst werden, um die Entwicklung ihrer Kinder nicht zu hemmen. Eine gesunde Autonomieentwicklung erfordert gute Bedingungen und ein positives Umfeld.