
In der Türkei kommt es gegenwärtig zu massiven Protesten, die Zehntausende Menschen mobilisieren. Diese Demonstrationen richten sich gegen die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu. Trotz eines landesweiten Demonstrationsverbots demonstrieren Bürger in Städten wie Istanbul, Ankara und Izmir. Dies sind die größten Proteste seit den Gezi-Protesten von 2013, während derer ebenfalls regierungskritische Bürger auf die Straße gingen und massiv von der Polizei unterdrückt wurden, wie Tagesschau berichtet.
Die Regierung gibt an, dass seit Beginn der Proteste über 1.100 Menschen festgenommen wurden, darunter mindestens zehn Journalisten. Offizielle Zahlen über verletzte Protestierende liegen nicht vor, jedoch wurden mehr als 120 Polizisten während der Auseinandersetzungen verletzt. Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Demonstrationen als „Gewaltbewegung“ und kündigte rechtliche Konsequenzen für die Demonstrierenden an. Die aktuelle politische Lage wird zunehmend als repressiv wahrgenommen, und Erdogan sieht sich vor der Herausforderung, seine Macht zu behaupten, während die Wirtschaftslage im Land angespannt bleibt.
Imamoglus Inhaftierung und politischer Kontext
Ekrem Imamoglu, der als Erdogans stärkster politischer Herausforderer für die Wahl 2028 gilt, wurde am Mittwoch unter Korruptions- und Terrorvorwürfen festgenommen und am darauf folgenden Sonntag als Bürgermeister abgesetzt. Er bestreitet die Vorwürfe entschieden und sieht in den gegen ihn gerichteten Ermittlungen einen reinen politischen Versuch zur Diskreditierung seiner Person. Bereits 2019 wurde Imamoglu zum Bürgermeister gewählt, jedoch wurde die Wahl aufgrund von Manipulationsvorwürfen wiederholt. Jetzt plant die CHP, die Oppositionspartei, Imamoglu trotz seiner Inhaftierung zum Präsidentschaftskandidaten zu nominieren, was auf ein starkes Vertrauen in seine Chancen hinweist, wie RND feststellt.
Die türkische Regierung weist Rückfragen zur politischen Motivation hinter Imamoglus Festnahme zurück. Kritiker betonen jedoch, dass Erdogans Einfluss auf die Justiz durch die Verfassungsänderung von 2017 erheblich gestärkt wurde, wodurch das gesamte politische System autoritärer agieren kann. Während Erdogan seit über 22 Jahren an der Macht ist und die Türkei von einer parlamentarischen Demokratie zu einem Präsidialsystem transformierte, bleibt die Frage, wie lange er den wachsenden öffentlichen Unmut und die Repression aufrechterhalten kann.
Historische Parallelen zu Gezi-Protesten
Die gegenwärtigen Proteste sind nicht nur eine Reaktion auf die Festnahme Imamoglus, sondern auch eine Aufforderung zur Veränderung in der autoritären Politik Erdogans. Seit den Gezi-Protesten von 2013 hat sich die politische Landschaft in der Türkei jedoch stark verändert. Damals wurden massive Gewaltanwendungen durch die Polizei dokumentiert, und es ist zu befürchten, dass sich diese Geschichte wiederholt, da Wasserwerfer und Tränengas erneut eingesetzt werden, um die Demonstrierenden zu dispersieren.
Kritiker werfen Erdogan vor, eine Diktatur errichten zu wollen, und Menschenrechtsorganisationen betonen die kritische Lage in der Türkei, in der Meinungsäußerungen unterdrückt werden. Während die Proteste an Intensität gewinnen, zeigt Europa eine gemischte Reaktion: Während die Inhaftierung von Imamoglu kritisiert wird, scheinen strategische Interessen eine klare Positionierung zu bremsen. Der Vorwurf lautet, dass Europa zwar den Rückgang der Menschenrechte anprangert, zugleich aber den politisch pragmatischen Umgang mit der Türkei beibehält.