
In Chicago, insbesondere im Viertel Little Village, sind die Straßen mit bunten Zetteln geschmückt, die in großen Buchstaben verkünden: „¡Conozca sus derechos!“ (Kennen Sie Ihre Rechte!). Diese Informationskampagne zielt darauf ab, die Gemeinschaft über ihre Rechte gegenüber der US-Polizei und dem Immigration and Customs Enforcement (ICE) aufzuklären. Ein Besuch von ICE oder der Polizei kann nicht ohne richterlichen Beschluss erfolgen, und die Zettel raten, nichts zu unterschreiben oder Gespräche zu führen, ohne rechtlichen Beistand. Die Atmosphäre in Little Village, einem Zentrum der mexikanisch-stämmigen Bevölkerung in Chicago, ist seit der Amtsübernahme von Donald Trump von Angst vor Massenabschiebungen geprägt. Viele Residenten, darunter eine Verkäuferin, die seit 37 Jahren ohne Aufenthaltserlaubnis in der Stadt lebt und mittlerweile vier Kinder und sieben Enkel hat, fühlen sich bedroht. Schätzungen zufolge gibt es in den USA rund elf Millionen Menschen ohne gültige Papiere, die oft in der Landwirtschaft oder Gastronomie tätig sind und Steuern zahlen.
Die Politik Trumps hat einen harten Kurs gegen illegale Einwanderung geprägt, wobei er Migranten aus ärmeren Ländern pauschal als Kriminelle betrachtet. Die ICE erhielt den Auftrag, Razzien nicht nur in Wohnvierteln, sondern auch in Schulen, Krankenhäusern und Kirchen durchzuführen. Dies hat zu einer verstärkten Furcht in der Gemeinschaft geführt, die sich in Chicago seit den 1980er Jahren eine „Sanctuary City“-Politik bewahrt hat, die die Zusammenarbeit mit ICE einschränkt. Bürgermeister Brandon Johnson hat die Werte der Stadt bekräftigt und betont, dass die Stadt ihre Migranten unterstützen wird, auch angesichts der rechtlichen Schritte, die das US-Justizministerium gegen Chicago eingeleitet hat, weil es die Durchsetzung von Bundesgesetzen behindere.
Sanctuary Cities und ihre Bedeutung
Sanctuary Cities, wie Chicago, sind Jurisdiktionen, deren Politiken darauf abzielen, Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis zu schützen, indem sie die Kooperation mit Bundesbehörden in Einwanderungsfragen begrenzen. Der Begriff „sanctuary“ hat seinen Ursprung in kirchlichen Bewegungen der 1980er Jahre. Solche Politiken sind in den USA umstritten und haben nicht nur politische, sondern auch juristische Kontroversen ausgelöst. Präsident Trump und seine Administration haben aggressive Maßnahmen ergriffen, um diese Schutzpraktiken anzugreifen. Eine seiner ersten Executive Orders unterzeichnete er am ersten Amtstag und ordnete an, dass Sanctuary Jurisdiktionen keine Bundesmittel erhalten sollten. Diese Politik soll die Verantwortlichkeit lokaler Behörden erhöhen und Druck auf sie ausüben, um die Zusammenarbeit mit ICE zu verbessern.
Während Demokraten die Sanctuary-Politiken unterstützen, um sichere Räume für Migranten zu schaffen, gibt es auf der anderen Seite Stimmen, die diese Praktiken als geheime Unterstützung illegaler Aktivitäten ansehen. Trump und ehemalige ICE-Verantwortliche wie Tom Homan fordern, dass diese Städte zur Verantwortung gezogen werden. Die aktuellen juristischen Auseinandersetzungen 2025, bei denen Städte wie San Francisco gegen die Trump-Administration klagen, lassen die komplexe Beziehung zwischen Bundes- und Landesrecht deutlich werden. Der Kongress hat seit einem Vierteljahrhundert keine grundlegenden Einwanderungsreformen verabschiedet, was die Entwicklung und die Kontroversen rund um Sanctuary Cities weiterhin antreibt.
Die Praxis in Chicago
Die Chicagoer Gemeinschaft hat sich in den letzten Jahren immer wieder solidarisch gezeigt. In der Augustana Lutheran Church beispielsweise wird ICE der Zutritt ohne richterlichen Beschluss verwehrt. Pastorin Nancy Goede betont, dass Kirchen Orte der Zuflucht sind. Auch das „Hyde Park Refugee Project“ bietet kostenlose Hilfe und Unterstützung für Migranten, die in Not sind. Dieses Projekt, inspiriert von einem ähnlichen Vorhaben in Deutschland, hat sich von einer langfristigen Vision zu einer akuten Nothilfe gewandelt angesichts des Anstiegs von Migrantenströmen.
Der „Free Store“, betrieben von Pastor Jonathan, liefert nicht nur Kleidung und Haushaltswaren, sondern bietet auch praktische Unterstützung bei Asylverfahren an. Klienten kommen aus verschiedenen Ländern wie Kolumbien, Mexiko und Venezuela, und trotz der ständigen Unsicherheit aufgrund von Trumps Rückkehr bleibt der Store geöffnet. Die Kirchentür bleibt nun oft abgeschlossen, und die Freiwilligen sind gut geschult, um angemessen zu reagieren, falls ICE vor der Tür steht. Diese Initiativen zeigen, dass hinter den politischen Diskussionen das tägliche Leben und die Sorgen von Millionen von Menschen stehen, die oft nichts anderes suchen als Sicherheit und ein besseres Leben.