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Kunst oder Schatten? Boris Groys entlarvt den Wunsch nach Unsterblichkeit

Boris Groys beleuchtet in seinem neuen Werk den Wunsch des Menschen, zum Kunstwerk zu werden. Er diskutiert Identität, die Rolle der Technologie und die Überreste stalinistischer Kultur.

Der Wunsch des modernen Menschen, zum Kunstwerk zu werden, steht im Zentrum der Überlegungen des deutsch-russischen Philosophen Boris Groys. In seinem bevorstehenden Buch „Zum Kunstwerk werden“, dessen Veröffentlichung im Jahr 2025 geplant ist, behandelt er tiefgreifende Fragen zu Identität und Selbstpräsentation. Groys‘ Überlegungen werden durch das Beispiel von Miku Hatsune illustriert, einer japanischen Sängerin und Manga-Figur, die als unveränderbares Wesen dargestellt wird. Miku altert nicht, hat keine Schaffenskrisen und zieht sich nicht aus der Öffentlichkeit zurück – sie verkörpert eine permanente Präsenz der Selbstinszenierung, die es ihr ermöglicht, auf Leinwänden Konzerte zu geben und Millionen von Betrachtern zu erreichen, ohne dass sie je echte Fans hat, wie Tagesspiegel berichtet.

In „Zum Kunstwerk werden“ reflektiert Groys über die Antike, beginnend mit der Figur des Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt. Diese historisch-mythische Perspektive eröffnet ihm eine Analyse über den menschlichen Drang, Bilder von sich zu produzieren, die den eigenen Tod überdauern. Dies ist besonders relevant in einer Zeit, in der soziale Medien und technologische Überwachung die Art und Weise, wie Menschen sich selbst inszenieren, maßgeblich beeinflussen.

Die Verschmelzung von Ethik und Ästhetik

Groys untersucht die komplexe Beziehung zwischen Ethik und Ästhetik und argumentiert, dass das „Design der Seele“ ein einzigartiges Merkmal des Menschen ist. Er stellt fest, dass es in der heutigen Gesellschaft notwendig geworden ist, die eigene Seele nach außen zu stülpen und das individuelle Bild dem Publikum anzuzeigen. Dies führt auch zu einer Unterscheidung zwischen kulturellen Betreuungstechnologien und Produktionstechnologien, die beide zur Identitätsbildung des Einzelnen beitragen.

Eine Vielzahl von Disziplinen fließt in Groys‘ Argumentation ein, darunter Psychoanalyse und Architektur. Besonders bemerkenswert ist auch ein Gespräch mit Carl Hegemann, das im Anhang des Buches zu finden ist und einzelne Aspekte der Thematik vertieft. Groys plädiert für eine gemeinsame Bild- und Kunstwerksproduktion im Miteinander von Menschen, was einen sozialen und kulturellen Dialog fördert und das individuelle Dasein in einen größeren Kontext stellt.

Kulturelles Erbe und Identität im 21. Jahrhundert

Im Kontext der gegenwärtigen kulturellen Strömungen thematisiert Groys auch die Auswirkungen des Erbes der sowjetischen Vergangenheit auf die heutige russische Kultur. In seinem bekannten Essay „Gesamtkunstwerk Stalin“ analysiert er das Scheitern des kommunistischen Experiments und dessen Auswirkungen auf die Identität und das kreative Schaffen in Russland. Die Kultur wird als vielstimmig, widersprüchlich und spannungsreich charakterisiert, und der Umgang mit dem Erbe der Stalinkultur bleibt eine grundlegende Herausforderung, wie die Hanser Literaturverlage erläutert.

Im weiteren Sinne versteht man im 21. Jahrhundert Kultur und Identität als zentrale Aspekte der künstlerischen Auseinandersetzung. Künstler stehen vor der Herausforderung, ihre kulturelle Identität in einer globalisierten Welt zu erfassen und zu kommunizieren. Dies geschieht oft durch den Austausch von Ideen über das Internet. Street-Art sowie die Auseinandersetzung mit Migration und Diaspora sind zeitgenössische Ausdrucksformen, die gesellschaftliche Debatten eröffnen und die komplexen Konstrukte von Identität reflektieren, wie Das Wissen feststellt.

Die Kunst des 21. Jahrhunderts ist dynamisch und bietet erweiterte Ausdrucksmöglichkeiten, während sie gleichzeitig Risiken birgt, wie beispielsweise die Gefahr der Kommerzialisierung und die Marginalisierung bestimmter Identitäten. Alles in allem zeigt sich, dass mit der digitalen Revolution und den globalen Vernetzungen neue Perspektiven auf Kultur und Identität entstanden sind, die sowohl Herausforderungen als auch Chancen bieten.

Referenz 1
www.tagesspiegel.de
Referenz 2
www.hanser-literaturverlage.de
Referenz 3
das-wissen.de
Quellen gesamt
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