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Alte DNA enthüllt: Mödling und Leobersdorf – Zwei Welten, eine Kultur!

Eine neue genetische Studie untersucht Awaren-Grabstätten in Mödling und Leobersdorf und enthüllt überraschende Unterschiede in der Herkunft der Bestatteten und Hinweise auf kulturelle Integration im Frühmittelalter.

Eine aktuelle genetische Studie hat faszinierende Einblicke in die Bevölkerung der Awarenzeit in Mittel- und Osteuropa gegeben. Insbesondere wurden die Grabstätten in Mödling und Leobersdorf, südlich von Wien, unter die Lupe genommen. Laut einem Bericht von Focus [FOCUS] zeigen die Analysen, dass die dort begrabenen Individuen genetisch unterschiedlich waren, was auf eine komplexe soziale Struktur und Kultur in dieser historischen Epoche hinweist.

Die Untersuchung umfasste Knochen von 722 Individuen aus über 500 Gräbern in Mödling und fast 150 aus Leobersdorf. Die Awaren bildeten im Frühmittelalter ein Bündnis verschiedener Reiterstämme und Völker Zentralasiens. Historische Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass die Awaren im 6. Jahrhundert in das Steppengebiet im heutigen Südrussland und der Ukraine kamen. Ihre Kontrolle erstreckte sich schließlich von Österreich über die Ukraine bis Bulgarien.

Genetische Unterschiede und soziale Integration

Die Ergebnisse der Studie, die im Fachblatt „Nature“ veröffentlicht wurden, sind bemerkenswert. Während die Bevölkerung von Leobersdorf überwiegend ostasiatische Wurzeln aufweist, haben die Menschen in Mödling europäische Vorfahren. Diese genetischen Unterschiede waren klar und konsistent, obwohl beide Gemeinschaften kulturell viele Gemeinsamkeiten haben. Die sozialen Praktiken bei der Partnerwahl waren ähnlich, was zur Erhaltung ihrer unterschiedlichen Abstammung beitrug. Beide Gruppen betrachteten sich als Teil des awarischen Kulturkreises, trotz der genetischen Divergenz [ÖAW].

Besonders interessant ist, dass anthropologische und archäologische Funde auf ein friedliches Zusammenleben hinweisen. So fanden die Forscher kaum Waffen in den Gräbern, und Verletzungen an den Skeletten waren rar. Auch Mangelerscheinungen waren nicht festzustellen, was auf eine stabile Gesellschaft hindeutet.

Forschung und Methodik

Das Forschungsprojekt, das von Walter Pohl an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften koordiniert wurde, vereint verschiedene Disziplinen wie Genetik, Archäologie, Geschichte und Anthropologie. Es ermöglicht nicht nur die Klärung der Identität der damaligen Bevölkerung – ob Nachfahren der awarischen Eroberer oder Angehörige der Vorbevölkerung. Die Studie trägt auch zur Erforschung der kulturellen Migration in Europa bei, ähnlich wie andere Forschungsarbeiten, die kürzlich neue Methoden zur Analyse alter Genome vorgestellt haben [DEUTSCHLANDFUNK].

Über die Ursachen für die genetischen Unterschiede zwischen Mödling und Leobersdorf herrscht noch Uneinigkeit. Genetische Verbindungen zwischen den beiden Orten wurden kaum festgestellt, was darauf hindeutet, dass die Frauen aus anderen Regionen stammten und daher mobil waren. Fast keine mütterlichen Vorfahren waren lokal, und es gab ein bemerkenswertes Verbot von Inzest in beiden Gemeinschaften.

Ein Blick in die Zukunft

Ein entscheidender Aspekt, der auf die komplexe Geschichte der Awaren hinweist, betrifft das Schicksal der beiden Siedlungen nach der militärischen Unterwerfung durch die Franken um 800. Historiker und Forscher stehen vor der Herausforderung, die Gründe für die Abwanderung und den Verlust der ostasiatischen genetischen Spur zu klären. Die letzten Generationen, die in diesen Gräberfeldern beerdigt wurden, bestanden überwiegend aus Kindern und wenigen Erwachsenen, was Fragen hinsichtlich ihrer Lebensumstände und der sozialen Dynamiken aufwirft [ÖAW].

Mit Hilfe solcher umfassenden Analysen der alten DNA wird es Forschern gelingen, die komplexen Wanderungsbewegungen der Völker in der Frühgeschichte Europas besser zu verstehen. Über Jahrhunderte hinweg prägten kulturelle Integration und Migration die Gesellschaften, und diese jüngsten Studien liefern wertvolle Anhaltspunkte für eine detaillierte Rekonstruktion der Vergangenheit.

Referenz 1
www.focus.de
Referenz 2
www.oeaw.ac.at
Referenz 3
www.deutschlandfunk.de
Quellen gesamt
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