
Die Händigkeit, also die Vorliebe, finemotorische Aufgaben mit einer bestimmten Hand auszuführen, gilt als eine der am besten erforschten Formen funktionaler hemisphärischer Asymmetrien im menschlichen Gehirn. Aktuelle Erkenntnisse zeigen, dass genetische Faktoren etwa ein Viertel der Händigkeitsausrichtung bestimmen. Dennoch ist das Zusammenspiel zwischen genetischen Prädispositionen und Umweltfaktoren komplex und vielschichtig. Ein neuer Übersichtsartikel von Prof. Dr. Sebastian Ocklenburg, Dr. Annakarina Mundorf und Prof. Dr. Jutta Peterburs beleuchtet die Rolle von Tubulinen für die Entstehung von Händigkeit und neuropsychiatrischen Bedingungen.
Die Forschung hat insbesondere gezeigt, dass Proteingruppen, die für die Entwicklung der Händigkeit wichtig sind, noch nicht vollständig geklärt sind. Neuere Studien deuten darauf hin, dass Tubuline, eine Gruppe von Proteinen, eine Schlüsselrolle beim Verständnis der Gehirnentwicklung und damit auch der Händigkeit spielen könnten. In ihrem Artikel „Genetics of human handedness: microtubules and beyond“, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Trends in Genetics, bieten die Wissenschaftler Einblicke in biologische Mechanismen, die die Verbindung zwischen Händigkeit, Hirnasymmetrien und psychiatrischen Merkmalen erklären könnten.
Einfluss von Umweltfaktoren auf die Händigkeitsentwicklung
Zusätzlich zu genetischen Einflüssen zeigen Untersuchungen, dass Umweltfaktoren in allen Phasen der Entwicklung eine erhebliche Rolle spielen. Pränatal können Aspekte wie die psychische Gesundheit der Mutter während der Schwangerschaft die Händigkeitsentwicklung beeinflussen. Studien haben offenbart, dass Kinder von Müttern, die unter depressiven Symptomen leiden, eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, als „Nicht-Rechtshänder“ zu gelten. Auch perinatale Faktoren, wie Frühgeburtlichkeit, können eine signifikante Auswirkung auf die spätere Händigkeit haben, indem sie die Gehirnentwicklung stören.
Postnatale Einflüsse sind ebenso relevant. Das frühe Stillen, die Art und Weise, wie ein Kind gehalten wird, sowie asymmetrische auditive Stimulation können die laterale Entwicklung von motorischen Fähigkeiten und damit die Händigkeit beeinflussen. Studien legen nahe, dass längeres Stillen einen Anstieg der Wahrscheinlichkeit bewirken kann, mit der rechten Hand dominante Tätigkeiten auszuführen.
Psychiatrische Aspekte der Händigkeit
Die Verbindung zwischen Tubulinen und psychischen Leiden ist ein weiterer bedeutender Aspekt der Forschung. Tubulin-Gene wurden mit verschiedenen psychiatrischen Störungen in Verbindung gebracht, was darauf hindeutet, dass strukturelle und funktionale Hirnasymmetrien auch mit der Neigung zu bestimmten psychischen Krankheitsbildern verbunden sein könnten. Dies wird durch zahlreiche Studien unterstützt, die die Asymmetrie im Gehirn ebenfalls als Risikofaktor für Erkrankungen wie Autismus oder Schizophrenie betrachten.
In einer großangelegten Studie von de Kovel et al. (2023) wurde die Bedeutung dieser Zusammenhänge weiter untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass genetische Einflüsse und Umweltfaktoren in der Entwicklung der Händigkeit zusammenwirken, was auf eine wesentlich multifaktorielle Genese hinweist. Langfristig könnte die Forschung zu Tubulinen zur Verbesserung unseres Verständnisses von Händigkeit und den zugrunde liegenden biologischen Mechanismen führen.
Die Betrachtung von Genetik und Umwelt in der Händigkeitsforschung könnte nicht nur die verschieden ausgeprägte Händigkeit erklären, sondern auch eine Brücke zu einem tieferen Verständnis über psychische Erkrankungen schlagen. Der Artikel der Hamburger Forscher ist daher nicht nur ein wissenschaftlicher Beitrag, sondern könnte auch klinische Relevanz für die Diagnostik und Behandlung von psychopathologischen Zuständen mit sich bringen.
Insgesamt ist die Forschung zu Tubulinen und ihrer Rolle bei der Entwicklung von Händigkeit und neuropsychiatrischen Erkrankungen ein spannendes Feld, das noch viele Fragen aufwirft und weiteres Diskussionspotenzial bietet.