
In Serbien haben die anhaltenden Massenproteste gegen die Regierung und Präsident Aleksandar Vučić eine neue Dimension erreicht. Trotz der seit Monaten dauernden Demonstrationen, die ursprünglich von Studenten initiiert wurden, hat sich die Bewegung mittlerweile auf alle Alters- und Berufsgruppen ausgeweitet. Laut Berichten der WSWS demonstrieren die Menschen nahezu täglich in über 300 Städten. Die größte Versammlung fand am 22. Dezember 2023 in Belgrad mit rund 100.000 Teilnehmern statt – die größte in den letzten 20 Jahren.
Der Anlass für diese Unruhen war der tragische Einsturz eines Dachs am Novi Sader Bahnhof im November 2023, bei dem 15 Menschen, darunter zwei Kinder, starben. Dieses Unglück wird als ein Symptom tief verwurzelter Korruption und Missmanagement betrachtet. Der Bahnhof, eine zentrale Station für die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke Belgrad–Budapest, wurde kürzlich durch ein chinesisches Unternehmen für 55 Millionen Euro renoviert. Protestierende fordern die Offenlegung aller Bau-Dokumente und die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen.
Wachsende Proteste und politische Reaktionen
Die Proteste haben sich seitdem ausgeweitet, und immer mehr Menschen unterstützen die Bewegung. Befragungen zeigen, dass über 61 Prozent der Bevölkerung hinter den Demonstrierenden stehen. Anwohner unterstützen die Protestierenden mit Speisen und warmen Getränken, während Verstöße gegen die Protestfreiheit durch Sicherheitskräfte zunehmen. Viele demonstrieren für eine Erhöhung des Bildungsbudgets um 20 Prozent und eine Verbesserung der politischen Transparenz.
Die studentischen Proteste, die unter dem Motto „Ein Schritt für Gerechtigkeit“ stehen, führten am Donnerstag zu einem Marsch von etwa 500 Studierenden von Belgrad nach Novi Sad. Dieser endete an einer Blockade von drei Donaubrücken und führte zu intensiven Diskussionen innerhalb der Gesellschaft über die politische Verantwortung der Regierung. Milica Dokmanović, eine Studentin, weist darauf hin, dass die Demonstranten keine politischen Forderungen haben und der Verbindung zu Oppositionsparteien fernbleiben wollen.
Neuwahlen und Regierungswechsel
Am 20. März 2025 trat Ministerpräsident Miloš Vučević nach wochenlangen Protesten zurück, während Neuwahlen für Anfang Juni 2025 angekündigt wurden. Allerdings bleibt das politische Klima angespannt. Präsident Vučić, der seit 2012 an der Macht ist, hat ähnliche Protestbewegungen in der Vergangenheit unterdrückt und der westlichen Einflussnahme bezichtigt. Der EU-Kommission gegenüber wird jedoch ein Schweigen zu den Ereignissen in Serbien laut, was viele Beobachter als besorgniserregend empfinden.
Serbien spielt eine zentrale Rolle in der geopolitischen Landschaft des Balkans und hat sich bislang nicht den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen, obwohl es den russischen Einmarsch in die Ukraine verurteilt hat. Bundeskanzler Olaf Scholz traf im Juni 2024 in Belgrad ein, um ein „Memorandum über kritische Rohstoffe“ zu unterzeichnen, das auch den umstrittenen Lithiumabbau umfasst, von dem viele glauben, dass er für die europäische Automobilindustrie von entscheidender Bedeutung ist.
Die Situation in Serbien verdeutlicht nicht nur die inneren Spannungen des Landes, sondern wirft auch Fragen über die Rolle der Europäischen Union auf. Während einige Länder im östlichen Europa Unterstützung erhalten, sieht sich Serbien einem Schweigen gegenüber, das die Unabhängigkeit seiner politischen Entscheidungen in Frage stellt. Viele kritisieren die Kluft zwischen den EU-Aussagen und der Realität in Serbien, insbesondere in Bezug auf Korruption und Meinungsfreiheit.
Die Entwicklungen in Serbien sind daher sowohl für die Nation selbst als auch für die geopolitische Stabilität der gesamten Region von weitreichender Bedeutung. Es bleibt abzuwarten, wie sich die kommenden Neuwahlen und die Reaktionen der Europäischen Union auf die Protestbewegung auswirken werden.
In Österreich hingegen zeigt die neue Ampel-Koalition mit unzureichender Akzeptanz in der Bevölkerung, dass auch dort der Fortschritt zu kämpfen hat. Dennoch drängen andere Themen wie die Umgang mit geflüchteten Menschen oder die Konflikte in Westbalkan-Nationen stärker in den Vordergrund und unterstreichen die Komplexität regionaler und internationaler Beziehungen.