
Bei einem kürzlich stattgefundenen EU-Spitzentreffen in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine klare Position zur Finanzierung von Rüstungsinvestitionen eingenommen. Scholz lehnte gemeinsame europäische Schulden ab und betonte, dass es keine Perspektive für solche Schulden gebe. Stattdessen hob er hervor, dass mehr Flexibilität für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten geschaffen werden müsse, um besser auf Bedrohungen, insbesondere durch Russland, vorbereitet zu sein. Scholz plädierte dafür, die bestehenden Schuldengrenzen auszureizen, um den Verteidigungsanforderungen gerecht zu werden, die angesichts der aktuellen geopolitischen Lage zunehmend in den Vordergrund rücken.
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, unterstützte Scholz‘ Anliegen und erklärte, dass sie bereit sei, die Spielräume des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts auszuschöpfen, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Obergrenzen für Staatsschulden und Haushaltsdefizite festlegt, wurde 2024 reformiert, um die individuelle Lage der Mitgliedstaaten stärker zu berücksichtigen. Laut Tagesschau darf der Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, während das jährliche Haushaltsdefizit unter drei Prozent liegen muss.
Bedarf an Verteidigungsinvestitionen
Die EU-Kommission schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Verteidigungsinvestitionen von rund 500 Milliarden Euro erforderlich sind. In diesem Kontext wurden mögliche EU-Projekte vorgeschlagen, darunter ein europäisches Luftverteidigungssystem und Maßnahmen zur Sicherung der östlichen Landgrenze. Diskutiert wurde auch eine stärkere Einbindung der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Rüstungsprojekte. Hierbei könnte eine Änderung des Mandats der EIB notwendig sein, was Bedenken hinsichtlich des Ratings der Bank aufwirft, denn die EIB hatte 2024 Vorgaben für Geldflüsse in die Industrie geändert, um Investitionen in Dual-Use-Güter zu erleichtern.
Deutsche Investitionen im Verteidigungsbereich beliefen sich im Jahr 2022 auf 58 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 5,4 % entspricht. Wie der Bericht der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) zeigt, stiegen die Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedstaaten insgesamt um 6 % auf 240 Milliarden Euro. Besonders hohe Ausgabensteigerungen verzeichneten Schweden, Luxemburg und Litauen.
Zukünftige Impulse und Gesetzesplanungen
Die Diskussion um die Rüstungsinvestitionen wird als Teil der Gesetzesplanungen der EU-Kommission angesehen, die voraussichtlich im März vorgestellt werden sollen. Bei den bevorstehenden Entscheidungen im EU-Sommergipfel Ende Juni könnten weitreichende Weichen gestellt werden. In diesem Zusammenhang ist es auch entscheidend, private Mittel für Rüstungsinvestitionen zu mobilisieren, um die europäische Rüstungsindustrie zu stärken. Scholz schlug dazu vor, Wettbewerbsregeln zu lockern.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstützte diesen Ansatz und setzte sich dafür ein, dass die europäische Industrie von den zukünftigen Investitionen profitiert. Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die im vergangenen Jahr vorangetrieben wurde, bleibt ein zentraler Bestandteil dieser Strategie und soll die flüssige Implementierung notwendiger Investitionen erleichtern.
Mit der neuen Ausrichtung auf Verteidigungsinvestitionen stehen EU-Staaten vor der Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen den fiskalischen Rahmenbedingungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts und den steigenden Sicherheitsanforderungen zu finden. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Entwicklungen muss Europa strategisch und finanziell gut aufgestellt sein.