
Am Dienstagabend, dem 8. Januar 2025, versammelten sich mehrere Hundert Anhänger des linken Spektrums auf dem Platz der Republik in Paris, um den Tod von Jean-Marie Le Pen zu feiern. Le Pen, der Gründer des Front National, verstarb im Alter von 96 Jahren. Die Feierlichkeiten waren geprägt von Jubel, Champagner und Feuerwerk, die sich in ähnlicher Weise auch in anderen Städten wie Lyon und Marseille wiederholten. Diese in der Öffentlichkeit umstrittene Reaktion wurde von der linksextremen Partei Nouveau Parti anticapitaliste initiiert und verspricht, die politischen Spannungen in Frankreich weiter zu schüren.
In Reaktion auf diese Feiern äußerte sich Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau und bezeichnete das Ereignis als „schändlich“. Er kritisierte, dass „nichts, absolut nichts rechtfertigt es, dass man auf einer Leiche tanzt“. Die Anteilnahme über den Tod von Jean-Marie Le Pen war jedoch stark unter konservativen und patriotischen Kräften in Europa ausgeprägt, wozu auch der Einfluss seiner politischen Nachfolgerin, Marine Le Pen, zählt. Jean-Marie Le Pen wird als „Vater des Rechtspopulismus“ angesehen, der den Boden für den Aufstieg späterer Rechtsparteien bereitete.
Aufstieg von Marine Le Pen und dem Rassemblement National
Marine Le Pen und der von ihr geführte Rassemblement National (RN) haben in den letzten Jahren erheblich an Einfluss in Frankreich gewonnen. Dies zeigte sich unter anderem bei der Europawahl 2024, die einen klaren Erfolg für den RN brachte und zur Auflösung des Parlaments durch Präsident Emmanuel Macron führte. Der RN wurde 1972 als Front National gegründet und hat sich unter Marine Le Pen mit der Strategie der „Dédiabolisation“ um eine Wende hin zur bürgerlichen Mitte bemüht.
Marine Le Pen übernahm im Januar 2011 die Parteiführung und schloss ihren Vater 2015 wegen „schwerer Verfehlungen“ aus der Partei aus. In den Medien hat sie sich als respektierte Gesprächspartnerin etabliert, während der RN gleichzeitig versucht, sich von extremistischen Positionen zu distanzieren. Dennoch bleibt Antisemitismus laut diversen Studien im RN weiterhin verbreitet, auch wenn offener Rassismus zurückgedrängt wurde.
Politische Herausforderungen und gesellschaftliche Spannungen
Marine Le Pen orientiert sich zunehmend an den aktuellen geopolitischen Entwicklungen, indem sie im Ukraine-Konflikt Wirtschaftssanktionen gegen Russland ablehnt und Waffenlieferungen an die Ukraine kritisch sieht. Ihr Programm für die Präsidentschaftswahl 2022 strebt eine Allianz mit Russland an und plant, die deutsch-französische Partnerschaft zu beenden sowie das NATO-Kommando zu verlassen. Der Blick in Frankreich richtet sich bereits auf die Präsidentschaftswahl 2027, wo Emmanuel Macron nicht mehr antreten kann.
Dennoch bestehen Bedenken, dass Le Pen nicht genügend Wählerreserven mobilisieren kann, um die 50-Prozent-Hürde im Stichwahlgang zu überschreiten. Trotz ihrer starken Präsenz in Rathäusern und Regionalräten bleibt der RN in der Nationalversammlung und im Senat aufgrund des Mehrheitswahlrechts unterrepräsentiert. Der Rechtsruck in Frankreich, der sich auch bei den Republikanern und den Sozialisten zeigt, deutet auf eine tiefere Identitätskrise hin, die durch die Debatten um das Kopftuch muslimischer Schülerinnen und die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit verstärkt wird.
Das Scheitern des französischen Integrationsmodells führt zu abnehmenden Aufstiegschancen für Neu-Franzosen, was Le Pen geschickt für ihre politische Agenda nutzt. Die Fehler der Zentralregierung in der Raumordnungspolitik schufen eine benachteiligte Peripherie, die sie als „Frankreich der Vergessenen“ bezeichnet.
Insgesamt wird die politische Landschaft in Frankreich durch die Ereignisse rund um Jean-Marie Le Pen und die Reaktionen darauf weiterhin polarisiert. Die Verquickungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen populistischen Tendenzen und den realen Herausforderungen des Landes, werden in den kommenden Jahren entscheidend sein.
Zu den Feierlichkeiten und dem Erbe von Jean-Marie Le Pen sowie den politischen Entwicklungen in Frankreich berichten Compact, fr.de und bpb.de.