
Am Samstagnachmittag stach ein 37-jähriger Algerier in Mulhouse mit einem Messer auf mehrere Polizisten ein. Der Vorfall ereignete sich vor einem gedeckten Markt, der eine Solidaritätskundgebung für die Demokratische Republik Kongo beherbergte. Der Angreifer, identifiziert als Brahim A., rief während des Angriffs „Allahu Akbar“. Dabei stellte sich ein 69-jähriger Portugiese zwischen ihn und die Polizisten, um sie zu schützen, und wurde dabei tödlich verletzt. Mindestens drei Polizeibeamte erlitten Verletzungen, einer von ihnen schwer. Die Polizei konnte Brahim A. überwältigen und ihn ohne den Einsatz von Schusswaffen festnehmen.
Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren wegen „Mordes und versuchten Mordes mit terroristischem Motiv“ eingeleitet. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den Vorfall als islamistischen Terroranschlag. Besonders bedrückend ist die Tatsache, dass Brahim A. den Behörden bereits bekannt war; er hatte im vergangenen Jahr vier Monate lang wegen Verherrlichung des Terrorismus im Gefängnis gesessen. Nach seiner Entlassung stand er unter Hausarrest und war verpflichtet, sich täglich bei der Polizei zu melden. Allerdings weigerte er sich, die Kontrollpapiere am Tag des Angriffs zu unterschreiben.
Von einer Beobachtungsliste zu einem Anschlag
Brahim A. stand auf einer Beobachtungsliste für potenziell radikalisierte Personen. Trotz einer „Obligation de quitter le territoire français“ (OQTF), die gegen ihn ausgestellt wurde, konnte er in Frankreich bleiben, da Algerien sich geweigert hatte, ihn zurückzunehmen. Innenminister Bruno Retailleau äußerte, dass dies trotz zehn Aufforderungen nicht geschehen sei. Der Vorfall hat Trauer und Bestürzung in Mulhouse und im ganzen Land ausgelöst, insbesondere da seit Dezember 2023 in Frankreich keine Todesopfer durch Terroristen zu beklagen waren. 2024 war ein Jahr ohne Terroropfer, das erste seit 2015.
Die Ereignisse in Mulhouse ereignen sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Bedrohung durch islamistischen Terrorismus, die seit den 1990er Jahren in Frankreich präsent ist. Die erste bedeutende Welle von Anschlägen wurde durch die Groupe Islamique Armé (GIA) während des algerischen Bürgerkriegs ausgelöst. Seitdem gab es zahlreiche Vorfälle, einschließlich der schweren Anschläge im November 2015, bei denen über 130 Menschen in Paris getötet wurden. Diese Anschläge führten zu einer hohen Terrorwarnstufe, die seither immer wieder aktualisiert wird, da rechtsextremer Terrorismus ebenfalls ansteigt.
Langfristige Sicherheitsstrategien und aktuelle Herausforderungen
Trotz der verstärkten Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung bleibt die Gefährdungslage angespannt. Die französischen Sicherheitsbehörden, darunter die Gendarmerie nationale und die Police nationale, haben sich auf die Bekämpfung des islamistischen Terrors spezialisiert. Nach dem Ende der territorialen Herrschaft des Islamischen Staates in Syrien und Irak hat sich das dschihadistisch-salafistische Milieu verändert, was die Sicherheitslage weiter kompliziert.
Die zerschlagenen Rekrutierungsnetzwerke und die Freilassung von 200 verurteilten Dschihadisten bis Ende 2022 könnten weiter Einfluss auf die Sicherheitssituation in Frankreich haben. Die Höhe der terroristischen Bedrohung ist ein zentrales Thema in der politischen Debatte und wird kontinuierlich von der Nationalen Antiterrorismus-Staatsanwaltschaft (PNAT) und anderen Sicherheitsbehörden überwacht.
Die Erschütterungen durch den Vorfall in Mulhouse könnten zudem weitreichende Auswirkungen auf die Diskussion über Sicherheit und Integration in der französischen Gesellschaft haben. Die Frage, wie mit radikalisierten Individuen umgegangen werden sollte, könnte an Bedeutung gewinnen, während die politische Führung Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit und zur Prävention von Radikalisierung ergreift. Frankreichs Weg in der Terrorismusbekämpfung ist somit ein komplexes Zusammenspiel aus Sicherheitsstrategien, politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Herausforderungen.