
In Schwabing wird ein eindrucksvolles Kunstprojekt ins Leben gerufen, das an die Verfolgten des Nationalsozialismus erinnert. Die Initiative unter dem Titel „Hier wohnte …“ stammt von dem Künstler Wolfram Kastner und schlägt vor, weiße Koffer auf den Fußwegen an mehreren Adressen aufzustellen. Zuvor lebten an diesen Orten Jüdinnen und Juden, die von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Bekannte Standorte sind unter anderem Elisabethstraße 30 und Römerstraße 21. Insgesamt soll an sechs verschiedenen Adressen an mehr als 160 ermordete Jüdinnen und Juden erinnert werden, darunter 65 Personen, die in der Herzogstraße 65 lebten, so Kastner in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung.
Das Projekt zielt darauf ab, die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte zu fördern. Kastner, der für seine engagierte Erinnerungsarbeit bekannt ist, ruft die Bürger Münchens zur Mithilfe auf. Interessierte können alte Koffer spenden oder bei der Vorbereitung der Installationen unterstützen. Die Koffer sollen mit schwerem Ballast gefüllt, wetterfest gemacht und weiß bemalt werden. Pläne sehen zudem die Anbringung von Kofferanhängern mit den Namen der Ermordeten sowie Infotafeln vor.
Erinnerungskultur im Fokus
Die Idee, an die Vergangenheit zu erinnern und gleichzeitig Bildung zu fördern, wird auch durch die Einbeziehung von Schulen unterstützt. Kastner lädt insbesondere Schulen aus Schwabing ein, sich an der Aktion zu beteiligen und das Thema im Unterricht zu behandeln. Die Projektorganisatoren, darunter Mitglieder der SPD wie Thomas Rock und Janne Weinzierl sowie Grafikdesigner Michael Wladarsch, haben einen umfassenden Ansatz gewählt, um die lokale Gemeinschaft in den Prozess einzubeziehen.
Eine Informationsveranstaltung zur Vorbereitung der Installationen ist für den 12. Februar in der Seidl-Villa geplant. Bei dieser Gelegenheit können Interessierte Näheres über das Projekt und die Geschichte der Umgegend erfahren. Über die geplanten Koffer-Installationen hinaus legt Kastner besonderen Wert auf die Forschung zu den Biografien der Ermordeten und ruft zur Beteiligung an den Recherchen auf.
Gesellschaftliche Verantwortung
Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus stellt eine ständige Herausforderung dar. Die deutsche Erinnerungskultur hat sich seit der Wiedervereinigung weiterentwickelt, und das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Aufklärung über diese dunkle Phase der Geschichte bleibt unabdingbar. In den letzten Jahren gab es zwar immer wieder Diskussionen über die Art und Weise, wie an die Vergangenheit erinnert wird, doch die grundlegende Einsicht, dass eine emanzipierte Gesellschaft Lehren aus ihrer Geschichte ziehen muss, ist ungebrochen. Dies wird in der Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung deutlich.
In einem anderen Kontext, etwa in Österreich, fand vor kurzem die erste offizielle Feier zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus statt. Diese wurde als „Fest der Freude“ bezeichnet und zeigte den Wandel im Umgang mit dieser Geschichte, der früher häufig von Verkrampfung geprägt war, so ein Bericht der Humanistisches Pressedienstes. Ähnliche Initiativen in Deutschland und Österreich zeigen, dass das Bedürfnis nach Erinnerung noch heute lebendig ist und dass es wichtig ist, dies auch in der Öffentlichkeit zu thematisieren.