
In Deutschland sorgt die unzureichende Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Afghaninnen und Afghanen für Besorgnis. Trotz einer Zusage der Bundesregierung, rund 36.000 gefährdeten Personen Schutz zu gewähren, sind bisher lediglich etwa 1.170 Menschen tatsächlich eingereist. Ali, ein 35-jähriger Afghaner, berichtet von den verzweifelten Bedingungen seiner vier Schwestern, die seit einem Jahr auf ein Visum warten.
Die Schwestern, die eine offizielle Aufnahmezusage besitzen, leben unter extremen Bedingungen in Pakistan, da die deutsche Botschaft in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban keine funktionierenden Visumvergaben mehr durchführen kann. „Wir warten seit Juni auf das Visum“, sagt Ali, dessen ältere Schwester Zahra wegen ihres Engagements für Frauenrechte verfolgt wurde. Beide Schwestern überlebten einen Mordanschlag und sind jetzt auf der Flucht.
Akute Gefährdung und Flucht
Die Bedrohung für Frauen und andere gefährdete Personen in Afghanistan ist enorm. Alis Schwestern und viele andere stehen unter Lebensgefahr, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. In Pakistan sind sie isoliert; die Visaregelungen wurden verschärft, sodass Visa nur noch 45 Tage gültig sind. Zudem gibt es Berichte über ein neues Dekret, das Migranten zwingt, Islamabad zu verlassen. Dies verschärft die ohnehin schon kritische Situation der Wartenden.
Die Bundesregierung hat am 17. Oktober 2022 das Bundesaufnahmeprogramm ins Leben gerufen, um vor allem gefährdete Afghanen zu unterstützen. Ein Ziel des Programms war es, monatlich etwa 1.000 Personen aufzunehmen. Diese Zahl wurde jedoch nicht annähernd erreicht, und über 1.500 Menschen mit einer Zusage warten nach Angaben der Bundesregierung auf ein Visum.
Hintergrund des Aufnahmeprogramms
Das Programm zielt insbesondere auf ehemalige Ortskräfte und Personen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden. Laut dem Auswärtigen Amt haben bis heute fast 26.000 Personen einen Aufnahmeweg nach Deutschland genutzt. Trotz dieser positiven Zahl sind noch viele Angehörige ohne sicheren Ausgang in einem Land gefangen, in dem die Bedrohung durch die Taliban weiterhin besteht.
Ali und andere Betroffene finden in der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen wie dem Tübinger Verein move on Unterstützung. Andreas Linder von diesem Verein hat zahlreiche Aufnahmeanträge eingebracht und setzt sich aktiv für die Freilassung und sichere Einreise der gefährdeten Schwestern ein. Die Situation bleibt jedoch angespannt und es gibt Bedenken, dass eine künftige Bundesregierung die Zusagen zur Aufnahme gefährdeter Afghanen nicht einhalten wird.
Insgesamt bleibt die Lage für hunderte von Afghaninnen und Afghanen weiterhin prekär, während sie auf eine Entscheidung über ihre Zukunft in Deutschland warten. Die anhaltenden Schwierigkeiten verwickeln sich in die drängenden Fragen nach Menschlichkeit und internationaler Verantwortung in einer Zeit, in der die Rechte von Frauen und Minderheiten weltweit bedroht sind.