
Eine aktuelle Studie des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz zeigt alarmierende Ergebnisse zur Vertrauenskrise im deutschen Sozialstaat. Über 70 Prozent der Befragten äußern eine große Skepsis hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Fairness des Systems. Diese Unzufriedenheit ist besonders stark ausgeprägt bei Menschen mit niedrigem Einkommen, die sich häufig von politischen Entscheidungen nicht vertreten fühlen.
Auf die Frage nach der Wahrnehmung der Ungleichheit geben die Teilnehmer verschiedenste Sichtweisen an. So schätzen Personen mit einer AfD-Wahlabsicht die ökonomische Ungleichheit und ihre eigene politische Selbstwirksamkeit als sehr gering ein. Dagegen klagen weniger wohlhabende Befragte über Ungleichbehandlung im Rentensystem und den allgemeinen Sozialleistungen, was möglicherweise Ängste vor Altersarmut verstärkt.
Skepsis gegenüber dem Sozialstaat
Besonders die Altersrenten und das Gesundheitssystem stehen im Fokus der Kritik. Laut Wirsindderwandel wachsen die Bedenken hinsichtlich der Fairness und Nachhaltigkeit der deutschen Sozialsysteme. Diese Skepsis hat direkte Auswirkungen auf die politische Teilhabe der Bürger, da viele sich machtlos fühlen und ihre Einflussmöglichkeiten als gering einschätzen.
Ein zentrales Ergebnispapier des Forschungsprojekts weist darauf hin, dass Bürger, die stark von Ungleichheit betroffen sind, seltener politisch aktiv werden. Dies führt zu einer verstärkten Kluft zwischen ökonomischer und politischer Ungleichheit. Menschen, die sich von der Politik abgehängt fühlen, ziehen sich oft aus der politischen Mitbestimmung zurück, was das Vertrauen in die Demokratie insgesamt untergräbt.
Verfassungsrechtliche Grundlagen und Entwicklung des Sozialstaates
Der deutsche Sozialstaat hat seine Grundlage im Grundgesetz, insbesondere in Artikel 20 und Artikel 28 Absatz 1, wie bpb erklärt. Dieses Sozialstaatsprinzip genießt besonderen verfassungsrechtlichen Schutz und kann nicht vollständig abgeschafft werden, auch wenn es Interpretationsspielraum gibt.
Historisch hat sich das Sozialstaatsprinzip aus den Maßnahmen der Sozialgesetzgebung des Kaiserreiches unter Otto von Bismarck entwickelt. Die erste Einführung von Kranken- und Altersversicherungen in den 1880er Jahren bildete die Basis für das heutige System. Der Schwerpunkt liegt darauf, Menschen in Notlagen zu helfen und diese aktiv zu vermeiden.
Das Leistungsspektrum des deutschen Sozialstaates wird in drei Kategorien unterteilt: Fürsorgeleistungen, Versorgungsleistungen und Versicherungsleistungen. Diese beinhalten essentielle soziale Hilfen, angefangen von ders sozialen Absicherung im Alter bis hin zu spezifischen Leistungen wie Kindergeld und Sozialhilfe. Das Solidaritätsprinzip stellt sicher, dass Beiträge unabhängig von der Inanspruchnahme der Leistungen erhoben werden, was in der aktuellen Diskussion zur Fairness des Systems jedoch ebenfalls in Frage steht.
Die steigende Unzufriedenheit mit dem Sozialstaat und seine Auswirkungen auf die politische Teilhabe sind alarmierende Signale. Missstände in der Wahrnehmung von Gerechtigkeit könnten, wie es die Studien zeigen, das Vertrauen in die Demokratie weiter gefährden und somit die Stabilität des sozialen Gefüges in Deutschland in Frage stellen.