
Ungarn hat angekündigt, aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auszutreten. Diese Entscheidung wurde von Kanzleramtsminister Gergely Gulyas während des Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Budapest bekannt gegeben. Laut Gulyas wird das Austrittsverfahren bereits am Donnerstag eingeleitet, und Ungarn beruft sich dabei auf seine eigene Verfassung sowie internationales Recht. Der Austritt tritt ein Jahr nach der schriftlichen Kündigung in Kraft, was bedeutet, dass Ungarn für einen gewissen Zeitraum weiterhin an den Verpflichtungen des IStGH gebunden bleibt, besonders bezüglich laufender Ermittlungen.
Mit dem Rückzug aus dem IStGH stellt Ungarn eine klare Herausforderung dar, insbesondere angesichts eines bestehenden Haftbefehls gegen Netanjahu. Der Haftbefehl, der wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg erlassen wurde, soll von Ungarn trotz der Verpflichtung zur Festnahme nicht vollstreckt werden. Ungarn hatte bereits im November, nach dem Erlass des Haftbefehls, Netanjahu eingeladen, was Orbán als unverschämt und zynisch bezeichnete.
Politische Implikationen des Austritts
Die Entscheidung, den IStGH zu verlassen, könnte weitreichende Folgen haben. Ungarn hat sich im Rahmen der EU-Kritik in der Vergangenheit durch Alleingänge profiliert, insbesondere in Bezug auf Russland und im Kontext des Gaza-Kriegs, wo es EU-Resolutionen zu Waffenruhen blockiert hat. Trotz der internationalen Reaktionen zu Netanjahus Besuch – die von Empörung bis zu uneinheitlichen Positionen reichten – beabsichtigt Ungarn, die Einladung aufrechtzuerhalten.
Der IStGH selbst hat nicht direkt auf die Ankündigung reagiert, jedoch wird auch auf die Beschränkungen hingewiesen, die Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung von Haftbefehlen haben. Orbán gibt zu Protokoll, dass Ungarn Netanjahu „in angemessener Sicherheit“ empfangen werde. Dies ist besonders relevant, da der niederländische Außenminister bereits angekündigt hat, dass der Haftbefehl vollstreckt werden würde, falls Netanjahu die Niederlande betreten würde.
EU-Reaktionen und die Zukunft Ungarns
Die Lage gestaltet sich kompliziert, da die EU aufgrund von Rechtsstaatsverstößen Ungarns Fördermittel entzogen oder eingefroren hat. Während sich Ungarn aktiv für Israel einsetzt, bleibt abzuwarten, wie die EU auf den Austritt reagieren wird. Der IStGH könnte den Fall möglicherweise der Vertragsstaatenkonferenz vorlegen, die Maßnahmen ziehen könnte, sollte Ungarn seine Verpflichtungen nicht einhalten.
Die Vorwürfe gegen Netanjahu und andere israelische Offizielle umfassen schwerwiegende kriegerische Vergehen, die auch international diskutiert werden. Während einige Staaten, wie die USA, die Haftbefehle grundsätzlich ablehnen, hat das Vorgehen des IStGH auch zu spalten zwischen den Mitgliedstaaten innerhalb der EU geführt. In Deutschland gibt es eine klare Unterstützung für den IStGH, und die Regierung wird die nächsten Schritte im Fall Netanjahu prüfen.
Insgesamt spiegelt Ungarns Entscheidung, den IStGH zu verlassen, nicht nur innenpolitische Überlegungen wider, sondern auch die geopolitischen Spannungen, die die Beziehungen zwischen Ungarn, Israel und den anderen EU-Staaten prägen.