BerlinDeutschlandStudieVogt

Überversorgung im Gesundheitswesen: Millionen für unnötige Behandlungen!

Forschung an der TU Berlin analysiert medizinische Überversorgung im deutschen Gesundheitssystem. 24 fragwürdige Behandlungen identifiziert, Kosten von bis zu 15 Millionen Euro jährlich.

Eine neue Studie der Technischen Universität Berlin beleuchtet die Problematik der Überversorgung im deutschen Gesundheitssystem. Unter der Leitung von Prof. Dr. Verena Vogt untersuchte das Forschungsteam zwischen 2020 und 2024 insgesamt 24 medizinische Leistungen, deren Nutzen als fragwürdig eingestuft wird. Diese systematische Analyse zielt darauf ab, unangemessene Versorgungsformen im deutschen Gesundheitssektor zu identifizieren und deren Auswirkungen näher zu betrachten.

Die Auswertung von Abrechnungsdaten der Techniker Krankenkasse, die 10,6 Millionen Leistungen umfasst, ergibt, dass zwischen 4,0 und 10,4 Prozent als medizinisch unangemessen klassifiziert wurden. Dadurch entstehen im ambulanten Sektor jährlich Kosten von etwa 10 bis 15 Millionen Euro. Ingesamt wurden 123 medizinische Leistungen identifiziert, die weltweit als unangemessen gelten, wovon 24 in Deutschland von medizinischen Fachgesellschaften als relevant und messbar bewertet wurden.

Beispiele unangemessener Leistungen

Unter den identifizierten Leistungen finden sich verschiedene Praktiken, die als problematisch erachtet werden. Dazu zählen:

  • Routinemäßige Verschreibung von Benzodiazepinen für Menschen über 65.
  • Inhalationstherapie bei COPD ohne vorherige Spirometrie-Diagnose.
  • Verschreibung unwirksamer Medikamente bei Alzheimer.
  • Opiate bei Migräne und Kopfschmerzen.
  • Regelmäßige Untersuchung der Knochenmineraldichte.
  • Elektrotherapie bei Wundliegegeschwür.

Darüber hinaus stellt die Studie fest, dass jährlich zwischen 200.000 und 300.000 Fälle von unnötigen Schilddrüsenhormon-Tests sowie 50.000 bis 60.000 Fälle von Tumormarker-Tests ohne bestehende Krebsdiagnose auftreten. Diese Tests bringen vermeidbare Kosten in Höhe von 2,15 Millionen Euro und rund 520.000 Euro mit sich.

Unsicherheiten und gesundheitliche Risiken

Die Autoren der Studie betonen, dass Unsicherheiten bei der Klassifikation von medizinischen Leistungen als angemessen oder unangemessen auftreten, besonders aufgrund unvollständiger Daten. Die Überversorgung kann zudem gesundheitliche Risiken mit sich bringen, wie etwa das Entstehen von Antibiotika-Resistenzen oder stressbedingte Folgeuntersuchungen.

Das Projekt „IndiQ“, das mit circa 800.000 Euro vom Innovationsfonds des G-BA gefördert wird, hat das Ziel, die Qualität der Indikationsstellung zu messen. Konsortialpartner sind die Techniker Krankenkasse und das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi).

Gesundheitsausgaben in Deutschland

Die Gesundheitsausgaben in Deutschland umfassen nicht nur Behandlungskosten, sondern auch Ausgaben für Prävention, Rehabilitation und Pflege. Sie schließen ebenfalls die Verwaltungskosten und Investitionen in Gesundheitseinrichtungen ein. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht medizinisch notwendige Schönheitsoperationen und private Fitnessgeräte von diesen Ausgaben ausgeschlossen sind.

Die Erfassung der Gesundheitsausgaben bezieht sich auf Käufe der inländischen Bevölkerung, auch wenn diese im Ausland getätigt werden. Die Beziehungen zwischen verschiedenen Leistungsbereichen werden durch die umfassenden Daten der letzten Erhebungsjahre dargestellt. Laut Destatis fließen die Vorleistungen, wie die Produktion von Arzneimitteln, indirekt über Endproduktpreise in die Gesundheitsausgaben ein.

Die Erkenntnisse der TU Berlin sind nicht nur eine Herausforderung für die medizinische Praxis, sondern gleichzeitig auch ein Aufruf zur kritischen Auseinandersetzung mit den bestehenden Versorgungsstrukturen im Gesundheitssystem.

Referenz 1
www.tu.berlin
Referenz 3
www.destatis.de
Quellen gesamt
Web: 3Social: 66Foren: 59