
Eine 42-jährige Frau aus Nordwestmecklenburg wurde kürzlich vom Amtsgericht Wismar zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil sie ihren 13-jährigen Sohn seit August 2021 nicht zur Schule geschickt hat. Die entscheidende Verhandlung fand im November 2023 statt, wobei die Richterin das volle Schuldbewusstsein der Angeklagten feststellte. Sie betonte, dass die Mutter vollumfänglich gestanden habe und das Gericht von ihrer Schuld überzeugt sei. Es gibt bereits zwei rechtskräftige Strafbefehle mit Geldstrafen gegen die Frau, die durch ein Gerichtsurteil nun dazu verpflichtet ist, regelmäßig nachzuweisen, dass ihr Kind am Unterricht teilnimmt.
Der Anwalt der Mutter erklärte, dass der Sohn in Zukunft online unterrichtet werden soll. Das Gericht wertete zugunsten der Frau, dass sie die Auflagen erfüllt und mit den Behörden zusammengearbeitet hat. Dennoch bleiben viele Fragen offen, insbesondere über die Motivation der Mutter. Diese war während der Verhandlung nicht erläutert worden. In einem früheren Bericht wurde darauf hingewiesen, dass die Frau Verbindungen zur „Reichsbürger“-Bewegung hat, die eine zentrale Rolle in der Thematik spielt.
Isolation und Ideologisierung von Kindern
Die Reichsbürger-Szene ist zunehmend in der Kritik, weil sie gezielt Kinder rekrutiert und sie von frühester Kindheit an beeinflusst. Wie Berichte des Bayerischen Rundfunks zeigen, wird in dieser Szene die Schul- und Kindergartenpflicht massiv infrage gestellt. Telegram-Posts fordern Eltern auf, ihre Kinder aus Schulen und Kindergärten zu nehmen, um einer vermeintlichen staatlichen Indoktrination zu entgehen. Die Behörden beobachten dabei eine besorgniserregende Transformation, bei der Frauen gezielt rekrutiert werden und Kinder isoliert aufwachsen.
Die Verbreitung extremistischischer Inhalte hat sich in den letzten Jahren über soziale Medien wie Telegram verstärkt. Mittlerweile gibt es 1.700 Telegram-Gruppen und 370 Kanäle, die im Umfeld der Reichsbürger leiden. Diese Gruppen propagieren Misstrauen gegenüber dem deutschen Staat und seinen Institutionen. Einige Eltern bringen ihre Kinder ohne Geburtsurkunde zur Welt, da sie glauben, dass eine Anmeldung eine Art „Verkauf“ des Kindes darstellt. Diese Kinder sind somit rechtlich nicht existent und haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung oder sozialen Kontakt.
Rechtliche Konsequenzen und Gefahren für das Kindeswohl
Die Situation ist nicht nur moralisch bedenklich, sondern auch rechtlich problematisch. Eltern, die ihre Kinder von der Schule abmelden oder sie nicht zur Schule schicken, riskieren, dass das Jugendamt eingreift. In Thüringen sind mehrerer Fälle bekannt, bei denen Kinder ohne Geburtsurkunde leben und somit keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen haben. Behörden stellen fest, dass Kinder in solchen Verhältnissen besonders gefährdet sind.
Beispielhaft wird dies an der Familie Lena deutlich, die ohne medizinische Hilfe und ohne Anmeldung lebte. Der deutsche Staat wusste fünf Jahre lang nichts von ihrer Existenz, bis Nachbarn das Jugendamt informierten. Schließlich wurde die Familie vom Jugendamt in Obhut genommen. Laut Daniela Marckmann, einer Expertin von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus, kann die Isolation und Gehirnwäsche der Kinder schwerwiegende Folgen haben. Je länger diese Kinder im Einflussbereich der Reichsbürger-Szene aufwachsen, desto schwieriger wird die Reintegration in die Gesellschaft.
Behörden und Organisationen arbeiten daran, Ausstiegswege aufzuzeigen und soziale Kontakte zu fördern, um die bedrohten Kinder wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Die aktuelle Verurteilung der Mutter und die zunehmende Beobachtung der Reichsbürger-Szene durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sind Schritte in die richtige Richtung, um das Wohl von Kindern in solchen extremistischer Umfeldern zu schützen.