
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 20. November 2024 in einer wegweisenden Entscheidung die Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln bei der Berechnung von Erbschaft- und Schenkungsteuern für verfassungsmäßig erklärt. Dies beinhaltet die Ablehnung der Einführung einer einheitlichen Sterbetafel für Männer und Frauen in Deutschland. In seinem Urteil stellte der II. Senat klar, dass die bestehenden geschlechtsspezifischen Berechnungen nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes verstoßen, wie faz.net berichtet.
Der Fall, der zu dieser Entscheidung führte, betraf einen 74-jährigen Mann aus Nordrhein-Westfalen. Er hatte 2014 Anteile an einer GmbH an seine Kinder verschenkt und dabei ein lebenslanges Nießbrauchsrecht für sich reserviert. Der Wert des geschenkten Anteils betrug knapp 782.000 Euro, wovon das Finanzamt einen Steuerabzug von 345.000 Euro ansetzte. Der Kläger argumentierte, dass die Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln eine Diskriminierung darstelle, da Frauen im Durchschnitt länger leben als Männer.
Die Urteile des BFH und ihre Tragweite
In den relevanten Verfahren II R 38/22, II R 41/22 und II R 42/22 stellte der BFH fest, dass die Bemessung der Schenkungsteuer durch die Anwendung geschlechtsspezifischer Vervielfältiger für die Berechnung des Kapitalwerts des Nießbrauchsrechts des Vaters gerechtfertigt sei. Diese Vervielfältiger werden gemäß § 14 des Bewertungsgesetzes (BewG) anhand der Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes ermittelt und geschlechtsspezifisch veröffentlicht. Die Kläger hatten erfolglos vor dem Finanzgericht argumentiert, dass die geschlechtsspezifische Handhabung diskriminierend sei, was auch vom Datev Magazin berichtet wurde.
Ein anderslautendes Urteil hätte potenziell weitreichende Konsequenzen für deutsche Renten-, Kranken- und Lebensversicherungen gehabt. Der BFH hob hervor, dass die Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln notwendig sei, um eine realistischere Bewertung für steuerliche Zwecke sicherzustellen.
Gesetzliche Grundlagen und deren Überprüfung
Die gesamte Thematik rund um die geschlechtsspezifischen Sterbetafeln wird durch § 14 Abs. 1 S. 1 BewG geregelt, der besagt, dass der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts angesetzt wird. Diese Vervielfältiger werden auf Basis der Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes ermittelt, wie auch iww.de erläutert. Vorangegangene Entscheidungen, wie die des Finanzgerichts Köln im August 2022, hatten bereits Zweifel an einer Verfassungswidrigkeit geäußert, die die geschlechtsspezifische Differenzierung in Frage stellen könnte.
In einem weiteren Urteil stellte das FG Köln klar, dass die Anwendung unterschiedlicher Sterbetafeln eine typisierende Schätzung im Steuerrecht darstellt und nicht gegen das Willkürverbot verstößt. Diese Feststellungen bestätigen die Verfassungsmäßigkeit der geschlechtsspezifischen Berechnungen in der Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Die Entscheidungen des BFH und die Diskussionen darüber verdeutlichen die Komplexität der rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen, die mit der Verwendung von Sterbetafeln verbunden sind. Sie unterstreichen die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der Lebensrealitäten von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft.