
Seit 100 Tagen können Menschen in Deutschland ihren Geschlechtseintrag und Vornamen einfacher ändern. Am 1. November 2024 trat das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft, das es transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ermöglicht, ihre Identität durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu dokumentieren. Psychologische Gutachten oder gerichtliche Beschlüsse sind nicht mehr erforderlich; einzig eine Erklärung genügt.
Die Einführung des Gesetzes soll nicht nur die Selbstbestimmung der Betroffenen stärken, sondern auch den Zugang zur Änderung des Geschlechtseintrags erheblich erleichtern. Die dreimonatige Wartefrist, die nach der Anmeldung gilt, wurde von vielen als unnötig kritisiert, da sich die meisten Betroffenen bereits lange vor der Antragstellung mit ihrem Geschlecht auseinandergesetzt haben.
Anmeldungen und Rückläufigkeit in einigen Regionen
Den aktuellen Zahlen zufolge gibt es jedoch Unterschiede in der Nutzung des neuen Gesetzes. In Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Anmeldungen rückläufig. In Magdeburg beispielsweise wurden bislang 114 Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags abgegeben, wobei 39 Fälle noch in der Wartefrist sind. Unter diesen Anmeldungen befanden sich auch zehn von Minderjährigen, von denen zwei aufgrund fehlender elterlicher Zustimmung nicht bearbeitet werden konnten.
In Halle (Saale) wurden bislang 98 Änderungen vorgenommen, darunter 14 für die Kategorie „divers“ und neun für „ohne Geschlechtseintrag“. Allerdings zeigt sich auch hier ein Trend sinkender Anmeldungen. In Burg wurden im November lediglich sechs Erklärungen eingereicht, gefolgt von nur zwei Anmeldungen in den folgenden zwei Monaten, insgesamt also zehn abschließend bearbeitete Fälle.
Hürden bei der Umsetzung des Gesetzes
Während die positiven Aspekte des Gesetzes hervorgehoben werden, gibt es auch Herausforderungen. Lex Keck vom Begegnungs- und Beratungszentrum „lebensart“ in Halle beschreibt die Verbesserung durch das Gesetz, hebt jedoch die Hürden bei der Umsetzung hervor. Kleinere Standesämter seien oft unzureichend geschult, und die fehlenden klaren Abläufe und Formulare sorgen für Verwirrung.
Die Schwierigkeiten umfassen auch die Namenswahl, die für manche Antragsteller problematisch sein kann. Der Verband hat bereits Schulungen für die Standesämter angeboten, erhielt jedoch keine Rückmeldungen auf diese Angebote.
Zukunftsaussichten und weitere Regelungen
Das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 und sieht zudem die vollständige Übernahme der Kosten für geschlechtsangleichende Behandlungen durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vor. Eine Evaluierung des SBGG ist innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen.
Insgesamt wird die Anzahl der Anträge auf Änderung des Geschlechtseintrags auf etwa 4.000 pro Jahr geschätzt, wobei anlässlich des Inkrafttretens mit Anmeldezahlen zwischen 6.000 und 15.000 gerechnet wird. Die Bundesregierung plant, das Gesetz weiter zu stärken, indem Aufklärungs- und Beratungsangebote ausgebaut werden. Das SBGG fördert das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung, wie es auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde.