
Schwerin hat als erste Stadt in Deutschland einen bemerkenswerten Beschluss gefasst: Arbeitslose sollen zur Arbeit verpflichtet werden. Dieser Beschluss, der Mitte Dezember 2024 vom Stadtrat verabschiedet wurde, betrifft insbesondere Bürgergeld-Empfänger und geht über bestehende gesetzliche Regelungen hinaus.
Der ursprüngliche Antrag, der sich zunächst nur auf Asylbewerber bezog, wurde später auf Bürgergeld-Empfänger ausgeweitet. Nach dem Beschluss müssen diese künftig Arbeitsgelegenheiten annehmen, die gemäß dem Sozialgesetzbuch vorgesehen sind, jedoch bisher keine Pflicht zur Annahme beinhalteten. CDU-Fraktionschef Gert Rudolf erläuterte, dass eine Gegenleistung für staatliche Leistungen gefordert werde. Im Rahmen dieser Maßnahme ist auch zu beachten, dass das Bürgergeld 2025 nicht erhöht wurde, sodass der Betrag für alle Empfänger gleich bleibt.
Details zum Beschluss
Die Arbeitsgelegenheiten sollen bei gemeinnützigen Trägern wie Vereinen, Kitas oder Schulen angesiedelt sein. Das Abstimmungsergebnis fiel mit 24 Ja-Stimmen, 16 Nein-Stimmen und einer Enthaltung aus. Unter den Gegnern des Antrags war SPD-Oberbürgermeister Rico Badenschier, der gegen den Antrag stimmte. Er kritisierte den Beschluss, indem er anmerkte, dass andere Möglichkeiten zur Schaffung dauerhafter Beschäftigung existieren. Badenschier bezeichnete die Maßnahme als an niedere Instinkte appellierend und äußerte Bedenken hinsichtlich der hohen Personal- und Kosteneffekte.
Besonders bemerkenswert ist, dass auch ukrainische Flüchtlinge, die Bürgergeld beziehen, nun zur Arbeit verpflichtet sind. Die Vergütung für die Arbeitsgelegenheiten variiert: Asylbewerber erhalten eine Mehraufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde, während Bürgergeld-Empfänger zwischen einem und zwei Euro pro Stunde bekommen.
Politische Reaktionen und Forschungsperspektiven
Der Beschluss in Schwerin wird als bundesweit beispiellos betrachtet, da er auch erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger umfasst. Ricos Badenschiers Kritik spiegelt die Bedenken von Arbeitsmarktforschern wider, die warnen, dass solche Arbeitsgelegenheiten wenig nützen oder sogar schaden könnten. Arbeitsmarktforscher Prof. Herbert Brücker betont, dass Arbeitsgelegenheiten von der Arbeitssuche ablenken könnten und zudem zusätzliche Kosten für den Staat verursachen.
Der Beschluss in Schwerin orientiert sich an Regelungen in den Landkreisen Greiz und Saale-Orla in Thüringen, wo bereits ähnliche Verpflichtungen für Asylbewerber bestehen. Diese Stuften Arbeitsgelegenheiten als nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen ein und sahen sie als Mittel zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit.
Hintergrund der Bürgergeld-Reform
Das Bürgergeld selbst ist Teil einer umfassenden Reform, die zu Beginn des Jahres 2023 in Kraft trat. Das IAB evaluiert die Bürgergeld-Reform im Rahmen seines gesetzlichen Forschungsauftrags, um die Auswirkungen auf Zugänge, Leistungen und die Integration in den Arbeitsmarkt zu untersuchen. Laut dem IAB-Forschungsbericht 6/2023 dient die Evaluation der grundlegenden Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Insgesamt zeigt der Beschluss in Schwerin eine neue Richtung in der deutschen Sozialpolitik, die durch einen steigenden Druck auf Arbeitslose und Leistungsempfänger gekennzeichnet ist.