
Inmitten der anhaltenden Diskussionen über die Bundeswehr und die notwendigen Verteidigungsausgaben äußert sich Bundeskanzler Olaf Scholz kritisch zu den Vorschlägen seines Kabinettskollegen, Wirtschaftsminister Robert Habeck. Scholz rügt Habecks Forderung zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 3,5% des Bruttoinlandprodukts als „unausgegoren“. Er fragt sich, wofür diese zusätzlichen Mittel verwendet werden sollen und woher diese finanziert werden könnten. Der derzeitige Wehretat beläuft sich auf knapp 80 Milliarden Euro, was bedeuten würde, dass eine Verdopplung auf 140 Milliarden Euro nötig wäre, um Habecks Ziel zu erreichen. Scholz hebt hervor, dass Deutschland das NATO-Ziel von 2% des BIP für 2024 bereits erreicht hat und für das kommende Jahr geschätzte Verteidigungsausgaben von 90,6 Milliarden Euro vorgesehen sind, was 2,12 Prozent des BIP entspricht. So meldet ZVW zudem, dass in den letzten Jahren insgesamt 23 von 32 NATO-Mitgliedstaaten auf Kurs sind, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.
Scholz äußert sich ebenfalls kritisch zu dem von Habeck verantworteten Heizungsgesetz, das seiner Ansicht nach den Austausch von Heizungen in privaten Haushalten zu hastig angehe. Er plädiert für „weniger Ideologie, mehr Pragmatismus“ beim Klimaschutz. Der Kanzler merkt an, dass diese ideologische Herangehensweise beim Klimaschutz die Umsetzung erschwere und nicht förderlich sei.
Politische Koalitionen im Wahlkampf
Die politische Landschaft wird zudem durch die am 23. Februar anstehenden vorgezogenen Bundestagswahlen belastet. Scholz, dessen Partei SPD in den Umfragen hinter der Union zurückliegt, bleibt optimistisch und vergleicht die Situation mit der Bundestagswahl 2021. Trotz des Scheiterns der Ampelregierung, das durch die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Herbst hervorgerufen wurde, zeigt sich Scholz offen für eine mögliche erneute Koalition mit der FDP. Er erklärt in einem Interview: „Ich habe nichts Generelles gegen die FDP“, und betont, dass Wahlen Ergebnisse liefern, mit denen Politiker umgehen müssen. Gleichzeitig schließt er eine Koalition mit der AfD kategorisch aus und betont: „Ich werde niemals eine Koalition mit der AfD eingehen“, wie n-tv berichtet.
In Bezug auf die neue BSW-Partei von Sahra Wagenknecht äußert sich Scholz zurückhaltend, da deren Positionen ihm als schwer vorstellbar für eine Zusammenarbeit erscheinen. Mit dem Fokus auf Wirtschaftswachstum und der Sicherung von Industriearbeitsplätzen will die SPD im Wahlkampf punkten, während die Grünen verstärkt auf Unterstützung für die Ukraine und die Stärkung der Verteidigung setzen.
Internationaler Kontext der Verteidigungsausgaben
Die Diskussion um die Verteidigungsausgaben erfolgt während eines Zeitraums steigender Ausgaben in vielen NATO-Staaten. Die NATO berichtet, dass 2024 die gesamten Verteidigungsausgaben der 32 Mitgliedsstaaten etwa 1,5 Billionen US-Dollar betragen werden. Dies entspricht einem Anstieg um 10,9 % im Vergleich zum Vorjahr, was unter anderem durch das verstärkte militärische Engagement der europäischen Länder und Kanadas in Reaktion auf Russlands Einmarsch in die Ukraine bedingt ist. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hebt diese Entwicklung als die „größte Steigerung seit Jahrzehnten“ hervor. Insbesondere Länder wie Polen (4,12 % des BIP) und Estland (3,43 % des BIP) investieren signifikant in ihre Verteidigung, während andere Länder wie Spanien und Slowenien weit hinter dem Ziel von 2% zurückbleiben, wie Tagesschau berichtet.
Scholz‘ Bedenken und die laufenden Koalitionsgespräche sind Teil eines größeren politischen Schachspiels, das auch von regionalen und globalen Entwicklungen beeinflusst wird. Die kommenden Monate werden entscheidend sein für die Richtung der deutschen Politik sowie für das Verhältnis zu NATO-Verbündeten und den damit verbundenen Verteidigungsausgaben.