
In den letzten Jahren hat die gesellschaftliche Wahrnehmung über die Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen stark zugenommen. Ein aktueller Fall, der am Amtsgericht Eckernförde verhandelt wurde, wirft jedoch ein besorgniserregendes Licht auf die strukturellen Diskriminierungen, die in diesem Bereich bestehen. Ein 22-jähriger Mann mit geistiger Behinderung wurde mutmaßlich von einem Erzieher misshandelt, wobei ihm die Brustwarzen so stark verdreht wurden, dass es zu Blutergüssen kam. Er konnte als Zeuge nicht gehört werden, da er sich nur mit Lauten äußern kann, was die Aufklärung des Falls erschwerte. Michaela Pries, die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein, äußerte sich über diese Problematik besorgt und wies auf die mangelnde Anzahl von Experten hin, die in solchen Fällen ermitteln können. KN Online berichtet, dass die Ermittlungen in ähnlich gelagerten Fällen oftmals nicht erfolgreich sind, wie etwa im Fall einer Frau in Berlin, die zum Opfer sexualisierter Gewalt wurde und deren Aussage als unglaubwürdig eingestuft wurde.
Pries appellierte an die Behörden, dass zur Aufklärung von Straftaten gegen Menschen mit Behinderungen auch jene befragt werden müssten, die sich nicht verbal äußern können. In Schleswig-Holstein leben etwa 560.000 Menschen mit festgestellten Behinderungs-Merkmalen, mehr als 10.000 davon in Wohnangeboten der Eingliederungshilfe. Die Landesbeauftragte betonte auch die Herausforderungen, mit denen Familien schwerstbehinderter Angehöriger konfrontiert sind, und die Notwendigkeit, die Sensibilisierung sowie Schulung von Institutionen zu verbessern. Trotz der vorhanden engagierten Beschäftigten in diesen Einrichtungen sei es entscheidend, partizipative Gewaltschutzkonzepte zu entwickeln.
Der strukturelle Gewaltschutz
Laut einer Studie, veröffentlicht vom Institut für empirische Soziologie (IfeS) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sind Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe einem hohen Risiko ausgesetzt, Gewalt zu erfahren. Diese Gewalt kann von psychischem Druck bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt variieren. Die Studie zeigt zudem, dass der Gewaltschutz oft strukturell und rechtlich schwierig zu implementieren ist. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Aussagen von Monika Pries und verdeutlichen die Notwendigkeit, die tatsächlichen Bedürfnisse und Rechte von Menschen mit Behinderungen effektiver zu schützen. Der Abschlussbericht macht darüber hinaus Handlungsempfehlungen für einen verbesserten Gewaltschutz in solchen Einrichtungen deutlich. BMAS stellt fest, dass es an einem klaren Bewusstsein über die Präventionsmaßnahmen mangelt, was den Schutz der betroffenen Personen weiter erschwert.
Ein übergreifendes Problem bleibt die allgemeine Gewaltanfälligkeit dieser oft in Sondereinrichtungen lebenden Menschen, die gezwungenermaßen einen fremdstrukturierten Alltag führen. Laut dem Institut für Menschenrechte sind stereotype Bilder von Menschen mit Behinderungen, Abhängigkeiten von Pflegepersonal und ein unzureichender Schutz der Intimsphäre wesentliche Gründe für diese hohen Gewaltzahlen. Viele der Bewohner und Beschäftigten von Werkstätten sind sich zudem ihrer Rechte unzureichend bewusst, was ihre Fähigkeit zur Beschwerde weiter einschränkt. Diese Situation wird durch unzureichende behördliche Überwachung und fehlendes Verständnis der Polizei und Justiz für die Belange von Menschen mit Behinderungen verstärkt.
Forderungen für einen besseren Gewaltschutz
Die Monitoring-Stelle der UN-Behindertenrechtskonvention fordert eine insgesamt verbesserte Strategie zum Gewaltschutz. Insbesondere sollte die Bundesregierung Maßnahmen zur Stärkung des Gewaltschutzes ergreifen und gesetzgeberische Nachbesserungen vornehmen. Es ist essenziell, die Selbst- und Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu fördern und den Zugang zu Rechten sowie Maßnahmen zur wirksamen Überwachung zu gewährleisten. Es bleibt zu hoffen, dass aus den aktuellen Diskussionen in der Gesellschaft ein wirksames übergeordnetes Konzept zur Prävention von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen hervorgeht, um ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben für alle zu ermöglichen.