
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat eine besorgniserregende Entwicklung festgestellt: Rechtsextreme Gruppen nutzen zunehmend das Thema Pädokriminalität für ihre eigenen Zwecke. Die als „Pedo-Hunting“ bekannten Aktionen richten sich nicht nur gegen vermeintliche Pädophile, sondern auch verstärkt gegen queere Menschen. Dies berichtet Tagesschau.
In Schleswig-Holstein ermittelt das Landeskriminalamt (LKA) gegen eine Tätergruppe, die hauptsächlich aus jungen Männern besteht. Diese Akteure haben über soziale Medien Kontakt zu Personen aufgenommen, denen sie „pädophile Neigungen“ unterstellen. Eine clevere, aber gefährliche Strategie, die zum Ziel hat, Straftaten zu begehen. Opfer sind nicht selten Menschen, die sich als queer oder LGBT identifizieren.
Die Verwendung von Fake-Profilen
Das LKA hat festgestellt, dass die Täter Fake-Profile von vermeintlich Minderjährigen benutzt haben, um ihre Opfer zu kontaktieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz weist darauf hin, dass diese Praxis klare Bezüge zur politisch motivierten Kriminalität aufweist, insbesondere zu den rechten Szenen. In einem alarmierenden Vorfall in Österreich wurden im März 20 Personen festgenommen, 13 von ihnen befinden sich in Untersuchungshaft. Diese Verdächtigen sollen Homosexuelle mit Hilfe von Fake-Accounts angelockt und misshandelt haben. Die Polizei betont dabei, dass die Opfer nicht Pädophile, sondern Ziel von Gewaltakten waren.
Ein besonders relevanter Aspekt ist die Überschneidung zwischen diesen „Pedo-Hunter“-Aktionen und der rechtsextremistischen Ideologie. Einige Beschuldigte weisen Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene auf. Die Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ wurde als eine der Organisationen identifiziert, die eine Chatgruppe mit dem Namen „Pedo Hunting“ betrieb. Innerhalb dieser Gruppe wurden Inhalte geteilt, die als Aufruf zu Aktionen gegen vermeintlich Pädophile interpretiert werden können.
Gesellschaftliche Reaktionen und Selbstjustiz
Die Diskussion um solche Selbstjustiz-Gruppen, wie die „Einhorncrew“, die ebenfalls als „Pedo-Hunter“ agiert, hat in der Gesellschaft an Fahrt gewonnen. Diese privaten Pädophilenjäger versuchen, mutmaßliche Pädophile der Strafverfolgung zuzuführen, indem sie mit Fake-Profilen chatten. Viele dieser Fälle sind rechtlich problematisch, da sie gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen und potenziell zu weiteren Straftaten führen können. Diese Entwicklung beunruhigt Experten wie Nikolai Odebralski, der vor den Gefahren von Selbstjustiz bei der Strafverfolgung warnt.
Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hebt hervor, dass die Zahlen der angezeigten Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch sowie Missbrauchsdarstellungen steigen. Damit verbunden ist eine wachsende Skepsis in der Bevölkerung bezüglich der Effektivität staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Straftaten.
Instrumentalisierung geschlechterpolitischer Themen
Dabei zeigt sich ein weiterer, tiefergehender Trend im Rechtsextremismus: Die instrumentalisierte Verwendung von geschlechterpolitischen Themen. Die Amadeu Antonio Stiftung hebt hervor, dass der moderne Rechtsextremismus Geschlechterrollen stark betont und sie als bedroht wahrnimmt. Themen wie sexualisierte Gewalt und sexuelle Übergriffe werden oft als Mobilisierungsinstrument benutzt. Dies könnte einen Teil der emotionalen Aufladung erklären, die solche gegen queere Menschen gerichteten Angriffe begleitet.
Die Instrumentalisierung des Themas Kindeswohl durch rechtsextremistische Akteure ist alarmierend. Das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtet, dass diese Akteure versuchen, durch das Schüren von Ängsten zu mobilisieren und Feindbilder zu schaffen. In diesem Kontext ist auch die Zunahme von „Pedo-Hunting“-Gruppierungen zu sehen.
Die Thematik genommen zusammen spiegelt nicht nur das aktuelle gesellschaftliche Klima wider, sondern zeigt auch die Gefahr auf, die von extremistischen Ansichten und strategischem Missbrauch von tatsächlichen Opfern sexueller Gewalt ausgeht.