
In einem zunehmend interdisziplinären Forschungsumfeld nimmt die Betrachtung geschlechtsspezifischer Faktoren in den Neurowissenschaften eine bedeutende Rolle ein. Der bevorstehende Vortrag von Prof. Sigrid Schmitz, der am 13. Februar 2025 von 16:00 bis 18:00 Uhr im Hörsaal des Instituts für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung an der Universität zu Lübeck stattfinden wird, trägt den Titel „NeuroGenderings: Approaches for a Sex/Gender informed Brain Research“. Diese Veranstaltung wird vom Sonderforschungsbereich (SFB) 1665 „Sexdiversity – Determinanten, Bedeutungen und Implikationen der Geschlechtervielfalt in soziokulturellen, medizinischen und biologischen Kontexten“ organisiert und eignet sich sowohl für Interessierte vor Ort als auch für Teilnehmer, die online via Webex teilnehmen möchten. Eine Einschränkung besteht jedoch darin, dass der Zugang zum Veranstaltungsort nicht barrierefrei ist.
Der SFB 1665 umfasst 27 Forschende, die in 17 Einzelprojekten arbeiten. Seit dem Forschungsstart im April 2024 wird hier das komplexe Zusammenspiel von Geschlechtervielfalt in verschiedenen Kontexten untersucht. In diesem Rahmen ist es entscheidend, Ansätze zu entwickeln, die Sexualität und Geschlechteridentität in der Hirnforschung reflektieren und kritisch hinterfragen.
Der Kontext von NeuroGenderings
Das NeuroGenderings-Netzwerk wurde ins Leben gerufen, um feministische Forscherinnen zu vernetzen, die sich mit Gehirnthemen befassen. Es umfasst eine Vielzahl von Disziplinen, unter anderem Neurowissenschaften, Geisteswissenschaften und Gender-Studien. Hierbei stehen genderbezogene Themen in Verbindung mit dem Gehirn im Vordergrund. Das Netzwerk verfolgt mehrere Ziele, darunter die Evaluierung der gegenwärtigen neurowissenschaftlichen Methoden und die Initiierung eines interdisziplinären Dialogs.
Ein zentrales Anliegen des Netzwerks ist die Entwicklung differenzierter Ansätze zur Bewertung der Wissensproduktion in der Neurowissenschaft, insbesondere im Hinblick auf die Beeinflussung durch gesellschaftliche Machtverhältnisse. Die Mitglieder verstehen sich nicht als neutrale Akteure, sondern als feministische Kollektive, die ungerechte Machtverhältnisse hinterfragen. Ein bedeutendes Ergebnis ihrer Zusammenarbeit war die Publikation einer Sonderausgabe der Zeitschrift Neuroethics, betitelt „Neuroethics and Gender“, welche die Beziehung zwischen Neurowissenschaft und Geschlecht kritisch beleuchtet.
Kritische Ansätze und Herausforderungen
Die feministische Forschung in den Neurowissenschaften hat ihre Wurzeln in den 1980er Jahren, als mit Werken wie Fausto-Sterlings „Myth of Gender“ ein kritischer Diskurs zu den Geschlechterunterschieden in der Gehirnforschung begann. Diese kritischen Analysen führen zu einer verstärkten Diskussion über den Begriff des „Neurosexismus“ – ein Begriff, der unkritische Vorurteile in der Neurowissenschaft beschreibt und von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen geformt wurde. Als Reaktion darauf etablierte sich der Begriff „Neurofeminismus“, der sich mit den sozial-kulturellen Implikationen neurowissenschaftlicher Forschung auseinandersetzt.
Die NeuroGender Network fordert eine kritische Reflexion über die Nutzung ihrer Konzepte und deren Auswirkungen auf gesellschaftliche Normen. Es wird ein ganzheitlicher Ansatz gefordert, um intersektionale Fragestellungen zu Gender, Rasse, Fähigkeit und anderen sozialen Konstrukten zu betrachten. Die Notwendigkeit, Gender als dynamisches Konzept zu erkennen, ist dabei entscheidend, um die Verflechtungen zwischen biologischen und sozialen Konstruktionen zu erfassen.
In Anbetracht dieser Herausforderungen wird deutlich, dass der Dialog über geschlechtergerechte Analysen in der Neurowissenschaften von hoher Relevanz ist. Mithilfe solcher Analysen können Forscher die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen biologischer Realität und sozialen Erfahrungen besser verstehen.
Der Vortrag von Frau Prof. Sigrid Schmitz stellt also nicht nur einen einzelnen Forschungstermin dar, sondern reflektiert die aktuellen Entwicklungen in einem Feld, das sowohl theoretisch als auch praktisch reichhaltig und herausfordernd ist.