
Am Landgericht Kempten beginnt ein aufsehenerregender Prozess gegen einen 17-Jährigen, der wegen des Vorwurfs, einen Obdachlosen ermordet zu haben, angeklagt ist. Der Vorfall ereignete sich im Mai 2022 in Immenstadt, eine Stadt im Allgäu, wo der Angeklagte den 53-jährigen Obdachlosen mehrmals mit der Faust geschlagen haben soll. Bei diesen Schlägen erhielt das Opfer mehrere Treffer gegen den Kopf, was letztendlich zu seinem Tod führte. Der Prozess findet hinter verschlossenen Türen statt, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt minderjährig war, was besondere rechtliche Rahmenbedingungen nach sich zieht.
Wie das PNP berichtet, hat der Verteidiger zu Prozessbeginn eingeräumt, dass der Angeklagte das Opfer geschlagen hat. Der Vorfall beginnt mit einem Angriff, bei dem das Opfer nach einem Übergriff in einen Bankvorraum floh. Dort wurde er am nächsten Morgen in einem lebensbedrohlichen Zustand aufgefunden, nachdem er selbst Anzeige bei der Polizei erstattet hatte, jedoch keine ärztliche Behandlung in Anspruch nahm. Laut dem aktuellen Obduktionsbericht verstarb das Opfer an schweren Hirnverletzungen, wobei eine zentrale Frage des Prozesses klärt, ob diese Verletzungen als direkte Folge des Angriffs zu werten sind.
Verlauf der Ermittlungen und Anklage
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten nicht nur Mord vor, sondern auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, da er sich bei seiner Festnahme, die kurz nach der Tat aufgrund einer Personenbeschreibung erfolgte, aggressiv verhielt und die Beamten beleidigte sowie angriff. Der SWP hebt hervor, dass der Beschuldigte bereits als Intensivtäter bekannt ist, mit einer Vorgeschichte, die Einbrüche, Diebstähle und Körperverletzungen umfasst. Seit seiner Festnahme im Mai 2022 befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft. Sechs Verhandlungstage sind geplant, wobei das Urteil für Mitte Februar 2024 erwartet wird.
Gesellschaftliche Dimension der Gewalt gegen Obdachlose
Die grausame Tat wirft ein Licht auf ein besorgniserregendes Phänomen in der Gesellschaft. Laut der Soziologin Saskia Gränitz, die sich intensiv mit dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigt, hat die Gewalt gegen obdachlose Menschen in den letzten Jahren zugenommen. Von 2018 bis 2023 ist die Gewaltkriminalität gegen Obdachlose um 36,8 % gestiegen, was mit der Erhöhung sozialer Krisen und einem Anstieg autoritärer Verhaltensmuster einhergeht. Im Jahr 2022 wurden 885 Gewalttaten gegen obdachlose Menschen registriert, wobei viele Betroffene aus Angst vor Repressionen keine Anzeigen erstatten. Die Taz beschreibt, dass oft junge Männer, möglicherweise motiviert durch gesellschaftliche Männerbilder und eine Abwehr gegenüber vermeintlicher Schwäche, solche Angriffe ausführen.
Der brutale Vorfall in Immenstadt ist Teil einer alarmierenden Tendenz von Gewalttaten gegen die besonders verletzliche Gruppe der Obdachlosen. Diese Entwicklung zeigt, dass nicht nur individuelle psychologische Faktoren eine Rolle spielen, sondern auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die eine solche Gewaltdynamik begünstigen. Um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken und derartigen Taten entgegenzuwirken, ist es entscheidend, die Aufmerksamkeit auf die Lebensrealität von Obdachlosen zu lenken und gesellschaftliche Vorurteile abzubauen.