
In Zeiten des Wandels haben die Ampelparteien CDU, CSU und SPD in Sondierungsgesprächen ein elfseitiges Sondierungspapier verabschiedet, welches die Grundlage für bevorstehende Koalitionsverhandlungen bildet. Ein entscheidender Punkt ist die Einführung einer „Grundsicherung für Arbeitssuchende“, die die bisherigen Sozialleistungen ersetzen soll. Diese Reform zielt darauf ab, die Vermittelbarkeit von Arbeitsuchenden zu erhöhen und den Vermittlungsvorrang für arbeitsfähige Personen wiederherzustellen. Damit soll die Jobaufnahme vor der Weiterbildung stehen, was eine klare Richtung in der Arbeitsmarktpolitik signalisiert.
Zusätzlich wird die Verschärfung der „Mitwirkungspflichten und Sanktionen“ hervorgehoben. Bei wiederholter Verweigerung zumutbarer Arbeit sind sogar Leistungsentzüge vorgesehen, wobei das Sondierungspapier die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich dieser Sanktionen festhält. Auch der gesetzliche Mindestlohn soll angepasst werden, wobei die Mindestlohnkommission künftig 60% des Bruttomedianlohns berücksichtigen wird, mit dem Ziel, im Jahr 2026 einen Mindestlohn von 15 Euro zu erreichen.
Vorschläge zur Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit
Ein weiterer zentraler Aspekt des Papiers ist die Absicht, das Rentenniveau zu sichern. Es wird festgelegt, dass die Durchschnittsrente mindestens 48% des Durchschnittslohns betragen soll, während gleichzeitig die Mütterrente auf alle Erziehungszeiten ausgeweitet werden soll. Somit profitieren auch Mütter, deren Kinder nach 1992 geboren wurden. Zudem werden neue Selbstständige in die gesetzliche Rentenkasse einbezogen, um die Altersvorsorge zu stärken.
Die Sondierungen beinhalten auch ein Versprechen zur Verlängerung der Mietpreisbremse um zwei Jahre. Ein Augenmerk liegt ebenfalls auf dem sozialen Wohnungsbau, dessen genaue Maßnahmen jedoch noch unklar sind. Auch die Zusammenführung von Sozialleistungen, wie zum Beispiel Wohngeld und Kinderzuschlag, steht auf der Agenda. Die geplante „große Pflegereform“ soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verbessern und den Zugang zu Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen gewährleisten.
Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt
Die Bertelsmann Stiftung hebt in einem Bericht hervor, dass die Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte die Erwerbsarbeit in Industrienationen grundlegend verändern. Die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten für einen einzigen Arbeitgeber nimmt ab, während freiberufliche Arbeitsverhältnisse und atypische Beschäftigungen zunehmen. Plattformen wie Fiverr und TaskRabbit finden vermehrt Anwendung bei der Jobsuche.
Trotz rückläufiger Arbeitslosigkeit in vielen Industrieländern, bleibt das Armutsrisiko problematisch. Eine zunehmende Zahl von Arbeitenden ist als „digitale Tagelöhner“ aktiv, oft ohne gesicherten sozialen Schutz, was ihre Vulnerabilität exponentiell erhöht. Atypische Beschäftigungsverhältnisse, wie Teilzeitarbeit und befristete Verträge, werden auch in traditionelleren Branchen immer häufiger. Dies führt dazu, dass in 23 von 41 Ländern seit 2008 die unfreiwillige Teilzeitarbeit gestiegen ist, was die soziale Stabilität in den betroffenen Ländern gefährdet.
Insbesondere in der Generation Z zeigt sich ein starkes Ansteigen freiberuflicher Tätigkeiten. Laut einer McKinsey-Studie arbeiten bis zu 30% der Erwerbstätigen in den USA und EU-15 freiberuflich, wobei ein signifikanter Anteil dies unfreiwillig tut und sich stabile Arbeitsverhältnisse wünscht. Diese Entwicklungen verstärken das Armutsrisiko und belasten die sozialen Sicherungssysteme erheblich, was eine umfassende Reaktion des Staates auf diese Herausforderungen erforderlich macht.
Die digitalen und sozialen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt benötigen dringende politische Maßnahmen. Das Sondierungspapier der Ampelparteien könnte ein erster Schritt sein, um soziale Gerechtigkeit und strukturelle Stabilität in einem sich schnell verändernden Arbeitsumfeld zu fördern. Dennoch bleibt abzuwarten, inwieweit die geplanten Reformen in der Realität umgesetzt werden können und welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Armutsproblematik tatsächlich eingehen.
Für weiterführende Informationen zu den Sondierungsgesprächen können Sie RP Online konsultieren oder einen Blick auf die Analyse der Bertelsmann Stiftung werfen.