
In der Kapelle St. Sebastian in Haisterkirch, einem malerischen Ort in Oberschwaben, hüten Bernd Schmid (75) und seine Frau Rosmarie mit großer Hingabe die Tradition des Kerzenbrennens. Schmid, der seit neun Jahren als Mesner tätig ist, besucht die Kapelle mindestens zweimal pro Woche, um den Kerzenbestand zu überprüfen und die kleine Kirche in gutem Zustand zu halten. Jährlich bestellt er 20.000 kurze, milchweiße Opferkerzen, die jeweils 8,5 cm lang sind und eine Brenndauer von zwei bis drei Stunden haben. Diese Kerzen brennen rückstandslos ab, was die patentierten Messingkerzenhalter ermöglichen, die eine nahezu schmutzfreie Nutzung gewährleisten.
Besonders am 20. Januar, dem Jahrestag des Schutzpatrons, steht die Kapelle vor einem großen Ansturm von Pilgern. An diesem Tag werden viele Kerzen entzündet, um die Kapelle in ein leuchtendes Kerzenmeer zu verwandeln. Vorbereitungen laufen bereits, denn die Kapelle gilt als der am meisten besuchte Ort in der Region, besonders in der Weihnachtszeit und im Januar, wenn Hoffnung und Zuversicht gefragt sind. Die diesjährige Veranstaltung wird rund um den Festgottesdienst am 20. Januar um 9.00 Uhr in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist stattfinden, gefolgt von einer Prozession mit Gebeten und Gesängen.
Pilger und Traditionen
Am 14. Januar trafen sich zahlreiche Pilger aus der Seelsorgeeinheit „Heimat Bischof Sproll“ in der Kapelle, um zu beten und zu singen. Der sonnige Wintertag begünstigte die Erlebnisse der Gläubigen. Die Kapelle war prachtvoll geschmückt und der Altarbereich, gestaltet von Bernd und Rosmarie Schmid, trug zur festlichen Atmosphäre bei. Eine Familie aus Osterhofen hatte großzügig einen Lichterkranz am Altargitterbogen gespendet. In der vergangenen Weihnachtszeit brannten bereits 15.000 Kerzen, und auch jetzt sind die Halterungen oft belegt.
Schmid hat sich zudem intensiv mit Kerzen in anderen Kirchen und deren Brenndauer beschäftigt. „Jede Flamme emittiert Rußpartikel“, erklärt er, während er den klaren Unterschied zwischen herkömmlichen Kerzen und LED-Lichtern beleuchtet. Letztere empfindet er zusammen mit der Kapellen-Geschäftsführerin Silvia Albrecht als wenig romantisch. Trotz moderner Entwicklungen, die sich zunehmend um umweltfreundliche Alternativen bemühen, bleibt die traditionelle Kerze ein Symbol der Anbetung und Besinnung, jedoch reicht ihre lange Geschichte über Jahrtausende zurück, wie die Erkundungen über die Ursprünge der Kerzenherstellung zeigen.
Die Geschichte der Kerzen
Die Kerzenherstellung hat ihre Wurzeln bereits vor über 5000 Jahren in alten Zivilisationen wie Ägypten, Mesopotamien und Indien. In Ägypten wurden Kerzen aus Bienenwachs für religiöse Zeremonien verwendet, während sie in Mesopotamien vor allem aus tierischen Fetten und pflanzlichen Ölen bestanden. Hier hatten sie eine bedeutende Rolle, um die Götter zu ehren. In der mittelalterlichen Kirche waren Kerzen ein Symbol für das Licht Gottes. Die Techniken zur Herstellung haben sich über die Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt, besonders während der industriellen Revolution, die die Massenproduktion von Kerzen revolutionierte.
Heute stehen Kerzen nicht nur für Licht und Hoffnung, sondern auch für eine Verbindung zu alten Traditionen. Trotz der modernen Entwicklung hin zu umweltfreundlicheren Kerzen bleibt die Faszination und die Bedeutung des lebendigen Feuers in der Kapelle St. Sebastian ungebrochen. Die Gläubigen und Pilger dürfen sich auch in diesem Jahr wieder auf ein beeindruckendes Lichtspiel und spirituelle Momente freuen.