
In Schwerin fand heute das fünfte bundesweite Treffen der Reichsbürger und ihrer Sympathisanten statt. Rund 1000 Teilnehmer versammelten sich auf dem Alten Garten, was die Sicherheitskräfte auf den Plan rief. Die Initiative „25 + 1 Bundesstaaten“ war Hauptorganisator dieser Zusammenkunft, die das Grundgesetz ablehnt und eine Rückkehr zur Verfassung von 1871 anstrebt. Diese Verfassung, die den Übergang zu einer konstitutionellen Monarchie in Deutschland markierte, wurde in einer Zeit erarbeitet, als das Thema Verfassung von zentraler Bedeutung für den deutschen Nationalstaat war.
Parallel zu den Reichsbürgern fanden zahlreiche Gegendemonstrationen und Mahnwachen statt. Die Teilnehmer des Gegenprotests trugen das Motto „Schwerin für Alle“ und setzten sich für Demokratie sowie gesellschaftlichen Zusammenhalt ein. Unter den Unterstützern der Gegendemonstrationen war auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die den Aufmarsch der Reichsbürger als „gesellschaftliche Herausforderung“ bezeichnete. Die Polizei sicherte sämtliche Plätze und Straßen, um die Sicherheit während der Veranstaltung zu gewährleisten; bislang verlief alles friedlich.
Die Reichsbürgerbewegung im Fokus
Der Anstieg der Reichsbürgerbewegung spiegelt tiefere gesellschaftliche Tendenzen wider. Reichsbürger sind Gruppen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, deren Ideologie oft antisemitische und demokratiefeindliche Elemente umfasst. Diese Gruppierungen halten das Grundgesetz für eine „Fortsetzung des Krieges gegen das Deutsche Reich“ und betrachten die Bundesregierung als Produkt „westlicher Siegermächte“.
Die Bewegungen, die ursprünglich in den 1980er Jahren ihren Anfang nahmen, haben sich seit 2010 stark verstärkt. Trotz interner Streitigkeiten unter den Mitgliedern, die von Neonazis bis zu Esoterikern reichen, verfolgen sie ein klares Ziel: die Delegitimierung der Bundesrepublik Deutschland und das Verbreiten von Verwirrung unter der Bevölkerung. Einige Mitglieder haben sogar eigene Reisepässe und Führerscheine ausgestellt und sich zu selbsternannten „Ministern“ ernannt.
Rückblick auf historische Wurzeln
Die Geschichte der deutschen Verfassungen ist tief verankert in den politischen Kämpfen des 19. Jahrhunderts. Nach dem Wiener Kongress 1815 drängten Liberale und Demokraten auf eine Verfassung für den Deutschen Bund, während Preußen und Österreich an ihren absolutistischen Monarchien festhielten. In dieser Zeit erlebte Deutschland verschiedene Verfassungsdebatten, die letztendlich in der Paulskirchenverfassung von 1849 mündeten, jedoch auch mit einem Fehlschlag endeten. Erst die Verfassung von 1871 etablierte eine gesamtdeutsche Regelung mit klaren Gewaltenteilungen.
Es ist wichtig, die heutige Bewegung nicht losgelöst von dieser Geschichte zu betrachten. Die Reichsbürgerbewegung ist eine Reaktion auf hundertjährige politische Kämpfe und die fortwährenden Fragen zur nationalen Identität und zum staatlichen Zusammenhalt. Während weiterhin Sicherheitsvorkehrungen in und um Schwerin aufrechterhalten werden, bleibt abzuwarten, wie sich diese Spannungen in der Zukunft entwickeln werden.
In Anbetracht der aktuellen Ereignisse wird deutlich, wie politisch aufgeladen das Klima in Deutschland ist und wie relevante und herausfordernde Fragen zur Verfassung, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zurückkommen.
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