
In einem groß angelegten Polizeieinsatz im Ortsteil Ihlingen von Horb am Neckar, der am Donnerstagabend begann, wurde ein als „Reichsbürger“ identifizierter Mann nicht angetroffen. Der Einsatz erstreckte sich über mehrere Stunden und endete in den frühen Morgenstunden des Freitags, als die Einsatzkräfte nach und nach abrückten. Trotz der intensiven Maßnahmen, einschließlich einer Umstellung des Gebäudes durch ein Spezialeinsatzkommando und der Sperrung von Zufahrtsstraßen, fanden die Beamten keine gefährlichen Gegenstände. Momentan wird nicht aktiv nach dem Mann gesucht, da kein Haftbefehl gegen ihn vorliegt, und die Polizei gab keine Details zu seiner Person bekannt, außer, dass eine mögliche Gefährdung der Einsatzkräfte im Vorfeld vermutet worden war.
Der Einsatz spiegelt die besorgniserregende Realität der Reichsbürgerbewegung wider, deren Mitglieder die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen und deren Gesetze ablehnen. Sie sind im Wesentlichen Gruppen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, die sich durch eine heterogene Struktur auszeichnen. Einige Mitglieder stehen dem rechtsextremistischen Spektrum näher, während andere sich mit esoterischen oder verschwörungstheoretischen Vorstellungen identifizieren. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung schätzt das Bundesinnenministerium die Anzahl der Reichsbürger bundesweit auf mehrere Hundert.
Ideologische Grundlagen der Reichsbürgerbewegung
Die Ideologie der Reichsbürger ist geprägt von antisemitischen, geschichtsrevisionistischen und demokratiefeindlichen Ansichten. Ein zentrales Element ihrer Propaganda ist die Behauptung, dass das Grundgesetz nur eine Fortsetzung des Krieges gegen das Deutsche Reich sei. Dies führt dazu, dass die Reichsbürger die Bundesregierung als eine „Statut der Fremdherrschaft über das Deutsche Volk“ betrachten. Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Bewegung ist die absolute Ablehnung der Demokratie und die Leugnung des Holocaust, die häufig als Agitationsmittel verwendet werden.
Die Ursprünge der Reichsbürgerbewegung lassen sich auf Wolfgang Ebel zurückverfolgen, der bereits in den 1980er Jahren Handlungsstrategien entwickelte. Laut bpb bildeten sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Submilieus innerhalb der Reichsbürgerbewegung, wobei vier Hauptkategorien identifiziert werden:
- Traditionell organisierte Rechtsextreme seit 1945
- „Reichsbürger“ in der Tradition Ebels
- Individual-, Gruppen- und sezessionistische Souveränist:innen
- „Neurechte“ Souveränist:innen
Diese sehr heterogene Gruppierung zielt darauf ab, eine als natürlich empfundene Ordnung wiederherzustellen, die ihrer Vorstellung nach etwa durch die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gesetzgebung destabilisiert wurde.
Die Gefahren der Bewegung
Die Gefahren, die von der Bewegung ausgehen, sind erheblich. In der Vergangenheit kam es bereits zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, wie der tödliche Schusswechsel im Jahr 2016 zeigt, bei dem ein Polizist ums Leben kam. Die Bundeszentrale für politische Bildung vermerkt, dass Reichsbürger auch versuchen, eigene staatliche Strukturen zu etablieren, indem sie zum Beispiel eigene Reisepässe und Führerscheine ausstellen und sich selbst zu „Ministern“ ernennen.
Ein besorgniserregender Trend ist die Radikalisierung innerhalb des Reichsbürgermilieus. Insbesondere nach 2019 fand eine Integration der QAnon-Verschwörungsideologie statt. Ähnliche Bewegungen, wie die „Querdenken“-Bewegung, haben sich während der COVID-19-Pandemie mit den Reichsbürgern verbunden, was die Situation zusätzlich kompliziert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz registrierte seit 2017 eine steigende Mitgliederzahl im souveränistischen Milieu, was die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit diesen extremistischen Tendenzen unterstreicht.
Zusammenfassend zeigt der jüngste Polizeieinsatz in Horb am Neckar, dass die Reichsbürgerbewegung nicht nur eine gefährliche Ideologie vertritt, sondern auch potenziell gewalttätige Aktionen plant und durchführt. Die Sicherheitsbehörden stehen vor einer konstanten Herausforderung, die von diesen Gruppierungen ausgeht.