
Die Evangelisch-Lutherische Emmaus-Kirchengemeinde in Kiel plant die Entwidmung der Osterkirche, die seit 1966 Platz für 300 Gläubige bietet. Pastor Björn Schwabe erläutert, dass die finanziellen Mittel zunehmend knapper werden, was dazu führt, dass nicht an allen bestehenden Kirchengebäuden festgehalten werden kann. Diese Entscheidung ist Teil eines umfassenderen Problems, das nicht nur die Emmausgemeinde betrifft, sondern viele Kirchen in Deutschland, die mit sinkenden Mitgliederzahlen und finanziellen Herausforderungen kämpfen.
Vor der Corona-Pandemie betrugen die jährlichen Mitgliederverluste bei den Kirchen rund 1 bis 2 Prozent. Seitdem hat sich dieser Rückgang auf 3 bis 5 Prozent erhöht. Der Kirchengemeinderat diskutiert intensiv über die Notwendigkeit von drei Kirchengebäuden, da sich die Mitgliederzahl seit den 1980er-Jahren von 12.000 auf lediglich 6.000 halbiert hat.
Hintergründe des Rückgangs
Wie die Statistiken der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz belegen, scheint der Trend ungebrochen. Ende 2024 hatten nur noch 37,8 Millionen Menschen, was 45,2 Prozent der Bevölkerung in Deutschland entspricht, einer der beiden großen Kirchen angehört. Im Vorjahr waren es noch 38,9 Millionen Mitglieder, was einen Verlust von über einer Million bedeutet.
Die Zahlen für Kirchenaustritte bestätigen diesen Trend: Laut den Veröffentlichungen traten 2024 345.000 Personen aus der evangelischen Kirche aus, während aus der katholischen Kirche 322.000 Austritte verzeichnet wurden. Trotz eines leichten Rückgangs der Kirchenaustritte im Vergleich zum Vorjahr bleibt die Situation angespannt.
Finanzierung und zukünftige Nutzung
Ein zentrales Problem für die Emmausgemeinde ist die finanzielle Planung. Pastor Jannes Horstmann hebt hervor, dass die sinkenden Mitgliederzahlen dazu führen, dass auch andere Vereinsstrukturen und Gemeinden ähnliche Herausforderungen haben. Gottesdienste werden bereits im Wechsel gefeiert, da nicht genügend Besucher vorhanden sind, um sie in allen Kirchen gleichzeitig stattfinden zu lassen.
Das Gemeindezentrum der Osterkirche wurde bereits in eine Kindertagesstätte umgewandelt, mit der Hoffnung, die laufenden Kosten zu decken. Diese Hoffnung hat sich jedoch bisher nicht erfüllt. Der Kirchengemeinderat ist nun gefordert, über alternative Nutzungsformen der Osterkirche nachzudenken. Eine Sanierung der Glaskuppel der Kirche ist mit einem sechsstelligen Betrag beziffert, was die Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung weiter erhöht. Interessenten für neue Verwendungszwecke der Osterkirche können sich bereits jetzt melden.
Die Situation ist symptomatisch für einen umfassenden Wandel in der Beziehung der Deutschen zu ihren Kirchen, die angesichts stagnierender oder sogar fallender Mitgliederzahlen neue Modelle der Gemeindeorganisation und -nutzung in Betracht ziehen müssen, um die Relevanz in der modernen Gesellschaft zu bewahren. Der Kirchengemeinderat findet sich in einer kritischen Lage wieder, in der kreative Lösungen und adäquate Finanzstrategien gefordert sind.