
Das Zentrum für Wissenschaftstheorie der Universität Münster lädt ab dem 17. April zu einer spannenden öffentlichen Ringvorlesung mit dem Titel „Willensfreiheit und Bewusstsein – ein philosophischer Dialog“ ein. Die Vorlesungsreihe befasst sich mit der grundlegenden Frage, ob Freiheit eine Illusion ist und ob Bewusstsein lediglich als überflüssiges Nebenprodukt betrachtet werden kann, wenn alles menschliche Denken und Handeln auf neuronalen Mechanismen beruht.
Im Rahmen der Veranstaltung werden zwei unterschiedliche Ansätze präsentiert. Der erste Vorschlag deutet Freiheit als Handeln nach Gründen, die über die kausalen Zusammenhänge hinausgehen. Der zweite Ansatz wird durch die Konzeption bewusster neuronaler Zustände repräsentiert, die erklären sollen, wie das Kausalgefüge des Gehirns die Freiheit des Entscheidens und Handelns ermöglicht.
Einblicke in die Vortragsreihe
Die Vorträge finden wöchentlich donnerstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses, Domplatz 20-22, statt und sind in hybrider Form organisiert. Interessierte müssen sich für die Online-Teilnahme anmelden. Die Themen und Referierenden der Vorlesungsreihe sind äußerst vielfältig:
- 17. April: Dietmar Hübner (Leibniz-Universität Hannover) – „Von stochastischen Gehirnen, willigen Suchtkranken und nichtkausalen Gründen: Handlungsfreiheit, Willensfreiheit und der ganze Rest“.
- 8. Mai: Ulrich Krohs (Universität Münster) – „Bewusstsein als biologisches Merkmal“.
- 22. Mai: Dietmar Hübner – „Über Sherlock Holmes, wasserscheue Fußgänger und sterbliche Katzen: Freier Wille und platonistische Gründe“.
- 5. Juni: Ulrich Krohs – „Wir bauen ein Bewusstsein“.
- 26. Juni: Dietmar Hübner – „Von Mikrozuständen über Leibnizwelten bis hin zu paranoiden Mafiosi: Willensfreiheit, Repräsentation und Bewusstsein“.
- 3. Juli: Ulrich Krohs – „Wie das Gehirn Freiheit ermöglicht“.
- 17. Juli: Andreas Hüttemann (Universität zu Köln) – „Vergleichender Kommentar und Podiumsdiskussion“.
Die Fragen bezüglich Willensfreiheit und Bewusstsein werden nicht nur philosophisch betrachtet, sondern sind auch von großer Bedeutung in den Neurowissenschaften. Neurowissenschaftler wie Prof. Dr. Kai Kaila von der Universität Helsinki äußern, dass die Existenz eines freien Willens eine ontologische und philosophische Fragestellung ist, die nicht empirisch beantwortet werden kann. Insbesondere untersucht die Neurowissenschaft das „Warum“ und „Wie“ menschlichen Handelns, kann aber keine abschließende Aussage über die Existenz von Willensfreiheit treffen.
Willensfreiheit wird häufig als die Fähigkeit definiert, unter den gleichen Bedingungen anders zu entscheiden und die Urheberschaft dieser Entscheidung in bewussten mentalen Prozessen zu manifestieren. Dies steht im Kontrast zu deterministischen Auffassungen, die besagen, dass alle Geschehnisse durch vorangegangene Ereignisse geregelt sind. Prof. Kaila hebt hervor, dass ein vollständiger Determinismus bislang nicht nachgewiesen wurde, was die Möglichkeit des Glaubens an freien Willen aufrechterhält.
Zudem gibt es in den Sozialwissenschaften und Neurowissenschaften unterschiedliche Begriffe für Willensfreiheit. In den Sozialwissenschaften wird sie häufig als völlige Unabhängigkeit von sozialen Determinanten betrachtet. Auch das Leib-Seele-Problem, ein zentraler Punkt in der Diskussion um die Willensfreiheit, weist auf die Komplexität dieses Themas hin. Verschiedene Modelle versuchen, das dualistische Trilemma zu lösen, wobei moderne Ansätze oft den Monismus bevorzugen.
Prof. Kaila, der über 50 Jahre Erfahrung in der Wissenschaft hat, betont die Bedeutung der Neurophysiologie bei der Erforschung von bewussten Zuständen und hält die Emergenztheorie für besonders überzeugend, auch wenn sie ihre Grenzen hat. Der Dialog um Willensfreiheit und Bewusstsein bleibt somit ein dynamisches und interdisziplinäres Feld, das weiterhin die geistige und gesellschaftliche Auseinandersetzung herausfordert.