
Im Kunstmuseum Den Haag eröffnet die Ausstellung „Grand Dessert“, die bis zum 6. April 2025 zu sehen ist. Diese faszinierende Schau thematisiert die europäische Kulturgeschichte der Nachspeise, die sich vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart erstreckt. Die präsentierten Desserts sind nicht nur Genussmittel, sondern spiegeln die Esskultur und deren Entwicklung in der Gesellschaft wider, indem sie den Höhepunkt einer Mahlzeit markieren und somit einen Ausdruck der kulturellen Identität darstellen. Die FAZ berichtet, dass unter den ausgestellten Replikaten aus Glas, Keramik und Kunststoff auch historisches Kochgeschirr sowie desseritspezifische Geschirrservices zu finden sind, die die Zubereitung und Anrichtung veranschaulichen.
Ein überraschendes Element der Ausstellung sind die architektonischen Tafelaufsätze aus Zucker und Duftstationen, die die Sinne der Besucher ansprechen. Ergänzend hierzu werden auch Kochbücher aus früheren Jahrhunderten präsentiert, welche die Entwicklung der Kochkunst und Essgewohnheiten dokumentieren. Besonderes Augenmerk wird auf die Kolonialgeschichte von Vanille, Kakao und Zucker gelegt, die allzu oft eine dunkle Geschichte birgt.
Historizität und gesellschaftlicher Wandel
Ein bemerkenswertes Objekt ist ein Stillleben von Osias Beert dem Älteren aus dem Jahr 1608, das ein opulentes Dessertbuffet darstellt. Solche Darstellungen bringen die Verbundenheit von Essen und sozialen Status zur Geltung. Bereits im alten Rom waren Früchte, Nüsse und Honigkuchen als Nachspeisen beliebt. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts etablierten sich Desserts als fester Bestandteil der Tafelkultur unter dem Adel und reichen Bürgern. Zuckerrohr galt zunächst als Luxusgut, doch der Anbau von Zuckerrüben im 19. Jahrhundert demokratisierte den Zugang zu Zucker und damit auch zu süßen Nachspeisen. Die Industrialisierung im 20. Jahrhundert führte zur Massenproduktion von Zucker und Desserts.
Die Kunstgeschichte zeigt, dass Werke, die Süßspeisen thematisieren, seit dem Jahr 1600 populär sind. Aktuelle Verkaufszahlen belegen das weiterhin hohe Interesse an diesen Themen: Ein Ölbild von Wayne Thiebaud mit dem Titel „Dessert Table“ erzielte im Jahr 2023 bei Christie’s beeindruckende 9,4 Millionen Dollar. Auch ein Stillleben von Jean-Siméon Chardin wurde 2022 für 20,5 Millionen Euro an den Louvre verkauft. Thiebauds Werke reflektieren den amerikanischen Lebensstil und stellen Desserts als Massenware dar, während andere Kunstwerke historische Kontexte und gesellschaftliche Veränderungen beleuchten.
Kritik an der modernen Esskultur
Im Rahmen der Ausstellung äußeren Besucher im Museumscafé Enttäuschung über die Qualität der angebotenen Desserts, was die Diskrepanz zwischen dem Kunstwerk und der kulinarischen Realität hervorhebt. Dies wirft Fragen über die heutige Esskultur auf, die zunehmend von industriellen Nahrungsmitteln und kommerziellen Angeboten geprägt ist. Im Kontext dieser Thematik beleuchtet die Website Beyond Surface die Evolution der Esskultur als Teil der Gesellschaftsgeschichte, in der Essen nicht nur einen Nahrungszweck erfüllt, sondern auch Rituale und Emotionen formt.
Zusätzlich wird die Kultivierung von Essgewohnheiten im europäischen Theater angesprochen, wo Speisen und Getränke eine Rolle im dramatischen Narrative spielen. Die Reflexion über eigene Ernährungsgewohnheiten, historische Wurzeln und neue kulinarische Trends bietet Anlass zur Überlegung, wie die Esskultur der Zukunft nachhaltig gestaltet werden kann. Diese Fragen sind nicht nur für die Gastronomie von Bedeutung, sondern betreffen jeden Einzelnen in seiner alltäglichen Ernährungspraxis.