
Am 7. April 2025 hat das Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt neue Fellows und Kollegiat*innen für das Sommersemester 2025 begrüßt. Die Kolleg-Forschungsgruppe „Religion und Urbanität“, geleitet von Susanne Rau und Jörg Rüpke, stellt dabei einen besonderen Schwerpunkt dar. Die Gruppe untersucht die komplexen Wechselwirkungen zwischen urbanem Leben und religiösen Praktiken, die in vielen Städten der Welt eine entscheidende Rolle spielen.
Für das aktuelle Semester haben sich zahlreiche Wissenschaftler*innen mit vielfältigen Projekten an das Kolleg angeschlossen. Unter ihnen sind Irene Becci mit ihrem Projekt „A quarry or a sacred mount? About the relation to nature in the context of urbanization“ sowie Bärbel Beinhauer-Köhler, die das Thema „Walls and Fortifications in Medieval Cairo – Agents of Religious Plurality, Politics, and Economic Life“ behandelt. Maria Ciesla widmet sich der „Microhistory of Coexistence“ von Juden und Christen in der vormodernen Stadt Slutsk.
Projekte und Forschungsschwerpunkte
Die Projekte der Fellows zeigen eine breite thematische Palette. Francesco Ferrari beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Martin Bubers Konzept des Kibbutz als gemeinschaftliches Experiment oder theopolitische Utopie zu verstehen ist. Agnes Flora analysiert darüber hinaus die überlappenden Schichten religiöser Überzeugungen und populärer Mythen in der frühneuzeitlichen Stadt Klausenburg.
An weiteren interessanten Themen forschen Eduard Iricinschi zu urbanen Technologien in den spätantiken manichäischen religiösen Netzwerken und Richard Lim zu religiösem Dualismus in der römischen Antike. Silke Steets beleuchtet die Entstehung einer kreativen evangelikalen Urbanität in Texas, während Martin Wallraff der Frage nachgeht, wie das Christentum zur urban geprägten Religion wurde.
Birgit Schäbler ist assoziiert mit der Forschungsgruppe Sozialphilosophie und Gesellschaftstheorie und beschäftigt sich insbesondere mit Global South Studies. Peter Gottschalk forscht im Merian-Zentrum ICAS:MP in Delhi zu den emotionalen Dimensionen der britischen und amerikanischen Berichterstattung über Muslime und Hindus zwischen 1798 und 1809.
International Graduate School und Sonderforschungsbereiche
Im Rahmen der International Graduate School „Resonant Self-World Relations“ haben Steen Lybke und Nicole Navratil als (Gast-)Doktorand*innen ihren Platz gefunden. Lybke erforscht die skandinavische Ökotheologie im internationalen Kontext, während Navratil sich mit der Selbstinszenierung weiblicher Führungspersönlichkeiten nationalistischer Parteien in Europa auseinandersetzt.
Im Sonderforschungsbereich „Strukturwandel des Eigentums“ sind mehrere Forschungsprojekte aktiv, darunter Cinnamon Ducasses Postdoc zu „Ambiguous Property: From Late Antiquity to the Middle Ages“ und Jana Ilnickas Untersuchung zum Armutsstreit im Mittelalter. Zudem forschen die Doktorandinnen Juliana Hutai und Yuxuan Ren zu den unterschiedlichen Auffassungen von Eigentum in Deutschland und China.
Ein weiterer spannender Forschungsbereich ergibt sich aus dem ERC-Advanced Grant „(De)Colonizing Sharia?“ unter Leitung von Irene Schneider. Lena-Maria Möller untersucht in ihrem Projekt prä- und postkoloniale Übergänge im Rechts- und Justizsystem Katar.
Urbanisierung und Globaler Süden
Die Forschungen am Max-Weber-Kolleg sind besonders relevant, wenn man die urbanen Herausforderungen im Globalen Süden bedenkt. Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika, die oft mit historischen Ungerechtigkeiten und hoher Armutsquote kämpfen, haben die schnellsten Urbanisierungsraten der Welt. Mehr als 75% der urbanen Bevölkerung leben mittlerweile im Globalen Süden, und Prognosen sagen bis 2025 eine weitere Erhöhung auf 3,75 Milliarden Menschen voraus.
Diese Urbanisierungsprozesse sind mit erheblichen sozialen und gesundheitlichen Herausforderungen verbunden. So zeigt sich, dass Infectious diseases in vielen städtischen Gebieten aufgrund unzureichender Umweltbedingungen, insbesondere in informellen Siedlungen, verbreitet sind. Gleichzeitig nehmen nichtübertragbare Krankheiten aufgrund veränderter Lebensstile zu. Diese Entwicklungen werden voraussichtlich durch den Klimawandel weiter verschärft.
Der Dialog über die Komplexität des urbanen Lebens und die Herausforderungen im Globalen Süden wie Armut, Ungleichheit und die Vermischung von städtischen und ländlichen Strukturen ist zentral für die aktuellen Forschungsansätze. Die Arbeiten der Forscher*innen am Max-Weber-Kolleg tragen dazu bei, diese Themen näher zu beleuchten und mögliche Lösungsansätze zu entwickeln.
Hartmut Rosa und Jörg Rüpke, die Direktoren des Max-Weber-Kollegs, äußerten sich erfreut über den intensiven Austausch mit Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Ländern und betonten die Bedeutung interdisziplinärer Ansätze in der heutigen Forschung.
Für weitere Informationen über die Forschung und die Fellows besuchen Sie bitte die Seiten von Universität Erfurt, Oxford Research und IDOS Forschung.