
Der Sanierungsstau bei Brücken in Deutschland ist ein bedeutendes Problem, das offenbar weit größer ist, als bisher angenommen. Die Organisation Transport & Environment (T&E) hat in einem aktuellen Bericht darauf hingewiesen, dass rund 16.000 Brücken in Bundeshand baufällig sind. Der geschätzte Finanzbedarf für den Ersatz dieser maroden Bauwerke beläuft sich auf bis zu 100 Milliarden Euro für Bundes-, Landes- und kommunale Brücken. Dies zeigt, dass die Infrastruktur in Deutschland zunehmend vernachlässigt wurde, insbesondere in den letzten Jahrzehnten, was zu einem dringenden Handlungsbedarf führt. Die Studie von T&E ist ein Aufruf zum Umdenken, da viele Brücken, häufig aus den 1970er Jahren, ursprünglich auf geringere Belastungen ausgelegt waren und nun den heutigen Verkehrslasten nicht mehr standhalten.
Ein konkretes Beispiel für die Probleme ist die Ringbahnbrücke auf der A100 in Berlin, die seit März 2023 aufgrund eines Risses im Tragwerk gesperrt ist. Das Verkehrsministerium plant zwar, im Rahmen seines Brückenmodernisierungsprogramms von 2022 etwa 4.000 Brücken über einen Zeitraum von zehn Jahren zu sanieren, jedoch kritisiert Benedikt Hey von T&E Deutschland, dass nicht alle nötigen Maßnahmen ergriffen werden. Stattdessen wird eine Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken vorgenommen.
Investitionsbedarf in der Infrastruktur
Die geschehenen Vorfälle und der Bericht von T&E zeigen auf, wie dringend es um die Instandhaltung der deutschen Infrastruktur bestellt ist. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) unterstreicht diesen Mangel. Der gesamte Investitionsbedarf für die nächsten zehn Jahre wird auf rund 600 Milliarden Euro geschätzt, wobei etwa 127 Milliarden Euro für die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur eingeplant werden müssen.
Innerhalb dieser Summe fließen 60 Milliarden Euro in das Schienennetz, 28 Milliarden Euro in den öffentlichen Nahverkehr und 39 Milliarden Euro in die Fernstraßen. Darüber hinaus sind Städte und Gemeinden auf 177 Milliarden Euro angewiesen, um vor allem Schulen und kommunale Straßen zu renovieren und sie auf den neuesten Stand zu bringen. Um zusätzlich den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, werden weitere 200 Milliarden Euro benötigt, insbesondere für die energetische Gebäudesanierung und den Netzausbau.
Politische Rahmenbedingungen
Die gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen erschweren jedoch die Finanzierung dieser notwendigen Investitionen. Die Regierungskoalition, insbesondere die FDP, zeigt sich skeptisch gegenüber den Empfehlungen der Institute, die eine Reform der Schuldenbremse fordern. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat nachdrücklich Sparvorschläge von den Mitgliedern seines Kabinetts gefordert, während Kanzler Olaf Scholz die Einhaltung des Finanzrahmens unterstützt.
Die Notwendigkeit eines Infrastrukturfonds zur Finanzierung der Projekte nimmt daher an Dringlichkeit zu. Bundesverkehrsminister Volker Wissing betont, dass die Kosten der Investitionen in die Infrastruktur bis 2029 auf etwa 220 Milliarden Euro geschätzt werden. Er fordert mehr finanzielle Mittel sowie einen langfristigen Hochlauf der Investitionen, um die katastrophale Lage der Infrastruktur nachhaltig zu verbessern und den Anforderungen des Militärs gerecht zu werden, da Deutschland als wichtiges Transitland agiert.
Wissing warnt davor, dass die Probleme nicht ignoriert, sondern aktiv angegangen werden müssen, um ein zukunftsfähiges und sicheres Umfeld für alle Nutzer der Verkehrswege zu schaffen. Historisch betrachtet wurde in den 1960er und 1970er Jahren viel gebaut – das Resultat ist nun ein massiver gleichzeitiger Sanierungsbedarf.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aktuelle Situation der deutschen Brücken und der allgemeinen Infrastruktur ein Dringlichkeitsniveau erreicht hat, das schnelles Handeln erfordert. Sowohl politisch als auch strukturell müssen Lösungen gefunden werden, um die Sicherheit und Nachhaltigkeit der deutschen Verkehrsinfrastruktur zu gewährleisten.