
Ulrich Mäurer, der Vorsitzende der Innenministerkonferenz und Innensenator von Bremen (SPD), hat sich gegen eine Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze ausgesprochen. Er betont, dass er zurückhaltend ist, wenn es um die Senkung des Alters für Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre geht. Ein Vorschlag, der von Carsten Linnemann, dem Generalsekretär der CDU, eingebracht wurde. Deutschland betrachtet Kinder unter 14 als schuldunfähig, weil sie in der Regel nicht über die notwendige Einsichts- und Steuerungsfähigkeit verfügen. Mäurer hebt hervor, dass polizeiliche Maßnahmen allein das Problem von Gewalt unter Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend angehen können. Diese Einschätzung steht im Gegensatz zu dem dringenden Bedarf, alternative Lösungen zu finden.
Er verweist außerdem auf eine Analyse des Bundeskriminalamts (BKA), die auf mögliche Spätfolgen der Corona-Pandemie als einen wesentlichen Faktor für die steigende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen hinweist. Laut den jüngsten Statistiken des BKA ist zwar die Gesamtzahl der Straftaten mit minderjährigen Tatverdächtigen zurückgegangen, doch im Bereich der Gewaltkriminalität gab es bedenkliche Anstiege: Bei Jugendlichen verzeichnete man eine Zunahme von 3,8 Prozent, bei Kindern sogar von 11,3 Prozent.
Psychische Belastungen als Ursache für Gewalt
Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamts, berichtet, dass 15- bis 17-Jährige unter psychischen Belastungen leiden, die laut ihm möglicherweise auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind. Diese Einschätzung wird durch die Situation vieler junger Menschen bestätigt, die die Nachwirkungen der Pandemie stark zu spüren bekommen. So leiden viele Jugendliche an psychischen Erkrankungen, die durch Schulschließungen und die damit verbundenen sozialen Isolationen verschärft wurden.
Eine Untersuchung zeigt, dass die Nachfrage nach Behandlungen bei Kinder- und Jugendpsychotherapeuten in Deutschland ein Jahr nach Beginn der Pandemie um 60 Prozent gestiegen ist. Besonders betroffen sind Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren, bei denen die Zahl neu diagnostizierter Essstörungen um 51 Prozent anstieg. Angststörungen und Depressionen sind ebenfalls häufige Diagnosen, die im Zusammenhang mit den Schulschließungen stehen.
Folgen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche
Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie zeigen sich oft erst verzögert, da viele Kinder wichtige Entwicklungsschritte verpasst haben. Laut der Trendstudie „Jugend in Deutschland“ ist mittlerweile jeder zehnte Jugendliche wegen psychischer Störungen in Behandlung. Die Problematik wird zusätzlich durch einen akuten Mangel an Therapieplätzen verschärft. Wartezeiten bei ambulanten Therapeuten haben sich verdoppelt; Familien müssen oft bis zu sechs Monate auf eine Diagnose und bis zu einem Jahr auf eine Therapie warten.
Das Bundesgesundheitsministerium hat angekündigt, an einem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche zu arbeiten. Es bleibt jedoch unklar, wann dieses Gesetz in Kraft tritt und in welchem Umfang zusätzliche Therapieplätze geschaffen werden können. Diese Themen stehen daher auf der Agenda, während Experten einen dringenden Handlungsbedarf zur Verbesserung der Situation erkannt haben.
Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass Schweden während der Pandemie die Schulen größtenteils geöffnet hielt, was zu weniger psychischen Belastungen bei den Jugendlichen führte. Der Umgang Deutschlands mit Schulschließungen und den daraus resultierenden negativen Folgen bleibt umstritten und wird weiterhin beobachtet.