
Die Diskussion um die deutschen Klimapolitik und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft erreicht einen kritischen Punkt. Am 1. Februar 2025 stehen die Herausforderungen im Mittelpunkt, die aus der ambitionierten Klimaschutzstrategie der Bundesregierung resultieren. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Frühjahr 2023 eine optimistische Sichtweise äußerte. Er erklärte, hohe Investitionen in den Klimaschutz könnten die Wachstumsraten Deutschlands auf das Niveau der 1950er- und 1960er-Jahre zurückführen. Dieser Optimismus fiel jedoch in einen Kontext, der von wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt ist.
Nach dem ersten Winter ohne Gas aus Russland zeigen sich die Folgen der Energiewende zunehmend kritisch. Ökonomen wie Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut warnen davor, dass der Umstieg auf klimafreundliche Produktionsmethoden allein nicht ausreicht, um wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen. Das Bruttoinlandsprodukt ist in den Jahren 2023 und 2024 geschrumpft, während die Industrie, die etwa ein Viertel der Wirtschaftsleistung ausmacht, Rückgänge bei Produktion, Export und Investitionen verzeichnete. Monatlich gehen etwa 10.000 Arbeitsplätze in der Industrie verloren, darunter auch bei großen Unternehmen wie Volkswagen und Bosch.
Deindustrialisierung und Klimapolitik
Ein zunehmendes Thema in der politischen Diskussion ist die mögliche Deindustrialisierung, die mit der Klimapolitik in Verbindung gebracht wird. Scholz forderte den Erhalt von Arbeitsplätzen und verlängerte als Reaktion auf Unternehmenssparpläne die Dauer des Kurzarbeitergeldes. Ottmar Edenhofer, ein führender Wissenschaftler am Potsdam-Institut, betont, dass die derzeitigen Problematiken der deutschen Wirtschaft nicht allein der Klimapolitik zugeschrieben werden sollten. Er führt hohe Lohnstückkosten und einen ineffizienten Arbeitsmarkt als weitere Ursachen an.
Die Preissteigerungen für Emissionszertifikate haben die Strompreise auf ein Niveau gehoben, das mittlerweile doppelt so hoch ist wie 2019. In diesem Zusammenhang schlagen Edenhofer und Frondel vor, das Tempo der Energiewende zu drosseln und gleichzeitig eine neue industrielle Arbeitsteilung zu etablieren. Hierbei könnte der Import energieintensiver Vorprodukte aus Ländern mit besseren Rahmenbedingungen ein Lösungsansatz sein. Um die Situation zu verbessern, fordern Experten auch die Schaffung „grüner Leitmärkte“ zur Förderung klimafreundlicher Produkte.
Politische Reaktionen und Zukunftsperspektiven
Die politischen Reaktionen auf die Herausforderungen variieren stark. Während SPD und Grüne planen, Unternehmen, die in Deutschland oder der EU investieren, steuerlich zu entlasten, setzt die Union auf umfassende Steuerentlastungen für alle und will zugleich Subventionen reduzieren. Eindeutige Einigkeit besteht darüber, dass die Netzentgelte im Strompreis sinken sollten, jedoch herrscht Uneinigkeit über die Finanzierung dieser Maßnahmen. Die Linke hat zudem ein Positionspapier veröffentlicht, in dem ein sofortiges Programm zur Sicherung von Beschäftigungs- und Standortfragen gefordert wird, um den Wettbewerb mit dem US-amerikanischen „Inflation Reduction Act“ (IRA) besser zu bewältigen.
Der IRA, der Steuersenkungen und Subventionen zur Förderung der Produktion in den USA vorsieht, zwingt die EU, ebenfalls zu handeln. Der EU-Green Deal Industrial Plan versucht, den Wettbewerbsvorteil der USA auszugleichen, jedoch könnte ein „Matching“ von US-Subventionen in der EU zu einer Überlastung der Subventionssysteme führen.
Angesichts der aktuellen extremen Wetterereignisse und der damit verbundenen Gesundheitsrisiken ist der Druck auf die Bundesregierung groß, die Auswirkungen ihrer Klimapolitik zu berücksichtigen. In einem Forschungsgutachten des BMWK wird die Notwendigkeit von Investitionen in den Klimaschutz hervorgehoben, die sich schätzungsweise zwischen 40 und 55 Milliarden Euro bewegen werden. Das BMWK erwartet, dass diese Investitionen bis 2030 das Bruttoinlandsprodukt um über 1% steigern werden, solange politische Rahmenbedingungen klar und verlässlich sind.
Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um die Balance zwischen wirtschaftlicher Stabilität und den ambitionierten Klimazielen zu finden.