
Hannah Stoll aus Bingen hat kürzlich die Kostenübernahme ihrer gesetzlichen Krankenkasse für die Behandlung einer immunvermittelten Small-Fiber-Neuropathie erhalten. Zuvor war ihr Antrag abgelehnt worden, jedoch führte ein Widerspruch zu einem erfolgreichen Ausgang. Small-Fiber-Neuropathie ist eine seltene Erkrankung, die mit starken, verbreiteten Schmerzen im Körper einhergeht. Bisher gibt es jedoch keine allgemein anerkannten Behandlungsmethoden, die durch wissenschaftliche Studien untermauert sind. Dies stellt viele Patienten vor erhebliche Herausforderungen.
Besonders betroffen sind auch Patienten mit Long Covid, die aufgrund ähnlicher Symptome häufig auf Heilmittel warten müssen. Schätzungen der Bundesregierung zufolge sind in Deutschland mehrere Hunderttausend Menschen von Long Covid betroffen. Dies wirft die Frage auf, ob diese Patienten ebenfalls von den Regelungen profitieren können, die für Stoll gelten. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nur für Behandlungen zuständig, die als medizinisch notwendig und im Leistungskatalog verankert sind.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 6. Dezember 2005, dass Patienten auch ohne anerkannte Behandlungsmethoden Anspruch auf Kostenübernahme haben, sofern eine Aussicht auf Heilung besteht. Dieses Urteil ist im Sozialgesetzbuch (SGB V, § 2) verankert und gilt auch für vergleichbare Erkrankungen. Unklar bleibt jedoch, ob Long-Covid-Patienten unter diese Regelung fallen. Laut dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hängt die Kostenübernahme stark von Einzelfallentscheidungen ab.
Aktuelle Daten zu den Ablehnungen von Kostenübernahmen sind nicht offiziell verfügbar. Die Techniker Krankenkasse (TK) meldete 2023 insgesamt 84.364 Widersprüche, von denen mehr als die Hälfte erfolgreich waren. Im Gegensatz dazu hatte die Barmer Krankenkasse nur 1,3 Prozent der Widersprüche erfolgreich entschieden. Stolls Krankenkasse übernahm die Kosten nach einem Widerspruch ihrer behandelnden Ärzte innerhalb von zwei Tagen. Sie bereitet sich nun auf drei Infusionen vor, die ihre größte Hoffnung auf ein normales Leben darstellen.
Neue Richtlinien zur Versorgung von Long-Covid-Patienten
Ab dem 1. Januar 2025 werden neue EBM-Leistungen für Patienten mit Verdacht auf Long Covid eingeführt. Der Beschluss dazu wurde am 12. Dezember 2024 im Bewertungsausschuss von KBV und GKV-Spitzenverband gefasst. Grundlage ist die Long-COVID-Richtlinie (LongCOV-RL), die seit Mai 2024 in Kraft ist. Diese Regelungen zielen darauf ab, die koordinierte Versorgung von Betroffenen mit Long Covid sowie ähnlichen Erkrankungen zu verbessern.
Die neuen Gebührenordnungspositionen (GOP) umfassen umfassende Leistungen, darunter Basis-Assessments und spezialisierte ambulante Versorgungen. Jedes neue Verfahren wird extrabudgetär vergütet, wodurch der finanziellen Druck auf die Leistungserbringer reduziert werden soll. Dies ist ein Schritt zur Verbesserung der Versorgung, die für alle Altersgruppen gilt und auf eine biopsychosoziale Behandlung abzielt, um die Bedürfnisse der Betroffenen besser zu decken.
Die LongCOV-Richtlinie beschreibt auch die Rahmenbedingungen für interdisziplinäre und sektorenübergreifende Zusammenarbeit zur Gewährleistung einer strukturierten Patientenversorgung. Ziel ist es, eine zeitnahe und bedarfsgerechte Betreuung für Menschen mit Long Covid und ähnlichen Erkrankungen sicherzustellen.
Die Situation von Hannah Stoll und den an Long Covid leidenden Patienten bringt die Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen ans Licht. Der Zugang zu notwendigen Behandlungen bleibt oft ein Kampf, dessen Ausgang ungewiss ist.
Weitere Informationen zu den Entwicklungen finden Sie auf Schwäbische, KBV und GBA.