
Am 31. März 2025 gab die Universität Marburg bekannt, dass Prof. Dr. Ulrike Domahs eine bedeutende neue Forschungsgruppe ins Leben gerufen hat, die sich mit schwachen Sprachelementen in der Sprachentwicklung beschäftigt. Diese Gruppe, die den Titel „Weak Elements in Phonology: Development, Processing and Modality“ trägt, wird über einen Zeitraum von vier Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit etwa 4,1 Millionen Euro gefördert. Ihr Ziel ist es, die Funktionen schwacher Einheiten in der Sprachentwicklung und -verarbeitung besser zu verstehen. Dies ist relevant, da gerade kleinere Kinder oft Schwierigkeiten haben, unbetonte Silben am Ende von Wörtern korrekt zu produzieren, was sich nachteilig auf ihren Spracherwerb auswirken kann.
Wie die Pilotstudien zeigen, spielt Prosodie – das Zusammenspiel von Tempo, Melodie und Rhythmus – beim Sprachenlernen eine entscheidende Rolle. In diesem Kontext wird untersucht, wie schwache Silben grammatische Informationen vermitteln können, etwa den Unterschied zwischen Singular und Plural. Die Forschungsgruppe wird sich dabei mit verschiedenen zentralen Fragen auseinandersetzen, darunter der Erwerb schwacher Elemente unter unterschiedlichen Bedingungen sowie die neuronalen Prozesse, die beim Verstehen dieser Elemente eine Rolle spielen.
Interdisziplinärer Ansatz zur Sprachforschung
Die Forschungsgruppe vereint Experten aus mehreren sprachwissenschaftlichen Bereichen. Partnerinstitutionen sind unter anderem die Universität Erfurt, die Universität Mannheim, die Goethe-Universität Frankfurt und weitere renommierte Einrichtungen. Gemeinsam streben die Wissenschaftler an, theoretische Annahmen über prosodische Systeme, die Sprachentwicklung und die Didaktik der Sprache zu bewerten.
Ergänzend dazu wird in der neuropsychologischen Forschung am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften ein neurokognitives Modell des auditiven Sprachverstehens bei Erwachsenen entwickelt. Dieses Modell bezieht sich auf Erkenntnisse aus verschiedenen Studien von Friederici und bietet einen Rahmen, um die funktionelle Neuroanatomie syntaktischer, semantischer und lexikalischer Prozesse zu untersuchen. Dabei wird deutlich, dass diese Prozesse in separaten Netzwerken der linken Hemisphäre ablaufen, während prosodische Prozesse vorwiegend in der rechten Hemisphäre stattfinden.
Einblicke in die neurokognitive Sprachverarbeitung
Aktuelle Forschungsprojekte untersuchen zudem die Interaktionen zwischen Syntax, Semantik und anderen linguistischen sowie nicht-linguistischen Bereichen, einschließlich Gedächtnis und Emotion. Das Ziel ist es, die funktionellen und strukturellen Beziehungen zwischen sprachbezogenen Schlüsselregionen des Gehirns zu beschreiben. Diese Erkenntnisse könnten das Verständnis der hierarchischen Verarbeitungssysteme von Sprache erweitern und auf die Erlernbarkeit von Sprachelementen Einfluss nehmen.
In einer breiteren Perspektive beleuchtet die Forschung an der Universität Marburg, wie ein strukturiertes Gehirn das Verständnis verschiedenster Sprachen ermöglicht. Analysen psycholinguistischer EEG-Experimente zeigen Unterschiede in der Online-Verarbeitung von Wortakzenten und rhythmischen Strukturen in Sprachen wie Deutsch, Englisch, Polnisch, Türkisch und Ägyptisch-Arabisch. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Wortbetonung und Satzmelodie das Sprachverstehen entscheidend beeinflussen und charakteristische neurophysiologische Signaturen hervorrufen.
Die Zusammenarbeit zwischen linguistischer Grundlagenforschung und klinischen Anwendungen wird im sprachtherapeutischen Zentrum KLing besonders deutlich, wo Erkenntnisse aus der Sprachpathologie auch zur Entwicklung von Diagnostik- und Therapieverfahren genutzt werden. Die Vielfalt an Methoden, von Produktionsdaten über Verstehensexperimente bis hin zu EEG-Studien, trägt dazu bei, die komplexen Muster von Spracherwerb und Sprachverarbeitung zu erforschen und zu verstehen.
Zusammengefasst arbeiten diese interdisziplinären Ansätze daran, die Mechanismen hinter der sprachlichen Verarbeitung sowohl bei gesunden Individuen als auch bei Menschen mit Sprachstörungen aufzuklären. Innovative Forschungsprojekte in diesem Bereich könnten nicht nur zur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, sondern auch zur praktischen Verbesserung der Sprachtherapie beitragen.
Für weitere Informationen lesen Sie die vollständigen Berichte von der Universität Marburg, dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften sowie der Universität Marburg zur Sprachkognition.