
Roberto Saviano, ein italienischer Journalist und renommierter Anti-Mafia-Aktivist, beleuchtet in seinem neuesten Buch „Treue. Liebe, Begehren und Verrat – Die Frauen in der Mafia“ die komplexe Rolle von Frauen in mafiösen Strukturen. Saviano ist bekannt für sein Werk „Gomorrha“, das sich intensiv mit der italienischen Mafia auseinandersetzt und ihn dazu zwingt, permanenten Personenschutz zu beanspruchen. Sein neues Buch, das im Hanser-Verlag erschien, basiert auf eingehenden Recherchen im Mafia-Milieu und richtet sich an ein breites Publikum.
Am 19. März 2025 stellte Saviano sein Buch im „Magazin“-Kino in Hamburg vor. Die Veranstaltung zog zahlreiche italienische Gäste an, die seine lebhafte Präsentation schätzten. Saviano diskutierte mehrere Aspekte der Frauenrollen in der Mafia und hob hervor, dass ihre Stellenbesetzungen häufig in Abhängigkeit von den Inhaftierungen ihrer Ehemänner stattfinden. Frauen in den Mafia-Strukturen übernehmen oft Führungsrollen, wenn ihre Männer im Gefängnis sind, was auf patriarchale Strukturen hinweist, die die Geschlechterrollen innerhalb der Mafia dominieren.
Frauen zwischen Gewalt und Macht
Detaillierte Erzählungen über die brutale Realität des Lebens in der Mafia sind ein zentraler Bestandteil von Savianos Buch. Er beschreibt Fälle von häuslicher Gewalt und Zwangsheiratspraktiken. Oft werden Frauen als „Gebärmaschinen“ betrachtet, deren Rolle weit über die Geburt von Nachkommen hinaus nicht gefördert wird. Saviano berichtet von Geschichten wie der eines Mannes, der seine Frau beim Pokerspiel verliert und sie zur Gruppenvergewaltigung zwingt. Ihr Bruder, ein Polizist, nutzt seine Mafia-Beziehungen, um den Täter „zu beseitigen“.
Die Machtverhältnisse sind regional unterschiedlich; während in der Cosa Nostra Loyalität von Männern gegenüber ihren Ehefrauen erwartet wird, demonstrieren Camorra-Bosse ihre Stärke häufig auch durch sexuelle Beziehungen zu mehreren Frauen. Durch diese Unterschiede wird sichtbar, wie variabel die Geschlechterrollen innerhalb der Mafia sind.
Zusätzlich wird in einer aktuellen Studie der OSZE aufgezeigt, dass Frauen in der organisierten Kriminalität oft mehr Einfluss ausüben als vermutet. Laut der Erhebung war in neun untersuchten Staaten jede fünfte Person, die wegen organisierter Kriminalität festgenommen wurde, weiblich. Diese Frauen spielen vielfältige Rollen, von der Rekrutierung und dem Drogenhandel bis zu Geldwäsche.
Dрамatische Beispiele aus dem Leben
Beispiele wie die von Nunzia D’Amico, die nach der Verhaftung ihrer Brüder die Führung des D’Amico-Clans in Neapel übernahm, machen deutlich, dass Frauen auch in der Mafia aktiv an Machtkämpfen teilnehmen können. Ähnlich war die Geschichte von Griselda Blanco, die als „Reina de la Cocaina“ bekannt wurde. Obwohl sie selbst eine brutale Vergangenheit hatte, zeigt sie, wie weit Frauen bereit sind zu gehen, um in der der Mafia Macht zu erlangen.
Es ist überdeutlich, dass Savianos Buch sowohl dramatische als auch analytische Elemente vereint, wobei die nüchterne Analyse manchmal in den Hintergrund gedrängt wird. Der Autor versucht, durch dokumentarische Sprache die brutalen Vorgänge innerhalb der Mafia zu erläutern, wobei er und die Moderatorin der Veranstaltung, Alexander Solloch, auf die oft unterschätzte Rolle von Frauen in diesen Organisationen eingehen.
Als Fazit lässt sich sagen, dass Savianos Werk nicht nur die bestehenden Stereotypen über Frauen in der Mafia in Frage stellt, sondern auch das Bewusstsein für die vielschichtigen und oft tragischen Lebensrealitäten schärft, mit denen viele Frauen konfrontiert sind.
Für weitere Informationen über Roberto Saviano und seine Arbeit können folgende Links besucht werden: Welt, NDR und NZZ.