
Gelsenkirchen, eine Stadt, die traditionell mit dem legendären FC Schalke 04 und der Farbe Königsblau assoziiert wird, befindet sich aktuell in einer Krise. In den letzten Jahren hat sich die Stadt, die als die ärmste in Deutschland gilt, zunehmend mit sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert gesehen. Bei der Bundestagswahl 2021 wählte die Bevölkerung die AfD mit 24,6 Prozent der Zweitstimmen zur stärksten Partei, ein deutliches Zeichen dafür, dass viele Bürger sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Besonders auffällig ist, dass Gelsenkirchen der einzige Ort in Nordrhein-Westfalen ist, wo die AfD die meisten Zweitstimmen erhielt. Dies verdeutlicht die tiefe Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung.
Ein eindrucksvolles Beispiel ist Silke, eine 65-jährige Bürgergeld-Empfängerin, die in einer jüngst ausgestrahlten „Stern-TV-Reportage“ ihre Frustration über die Lebensbedingungen in Gelsenkirchen zum Ausdruck bringt. Nach Jahrzehnten als Verkäuferin ist sie seit über einem Jahr auf staatliche Unterstützung angewiesen. In ihrem emotionalen Bericht schildert sie, wie sie verfallene Immobilien und vermüllte Hinterhöfe in ihrem Viertel wahrnimmt und beschreibt Gelsenkirchen als eine heruntergekommene Stadt, in der niemand mehr etwas aufbauen wolle. Ihre Besorgnis über die Zuwanderung ist evident, auch wenn sie betont, dass sie grundsätzlich mit Menschen unabhängig von ihrer Nationalität klarkommt.
Strukturwandel und neue Perspektiven
Die Herausforderungen, mit denen Gelsenkirchen konfrontiert ist, sind Teil eines umfassenden Strukturwandels. Im April 2022 betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt 11,4 Prozent, was die prekären Lebensbedingungen der Bürger verdeutlicht. In der Rahmenserie „Strukturwandel in Gelsenkirchen – Aufstieg. Abstieg. Aufbruch?“ wird dieser Wandel näher beleuchtet. Oberbürgermeisterin Karin Welge hat ehrgeizige Pläne, die Stadt durch Projekte wie die Neue Zeche Westerholt, die als Motor für Arbeit, Bildung, Energie und Wohnen fungieren soll, voranzubringen. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit der benachbarten Stadt Herten.
Der Strukturwandel erfordert eine Mischung aus Wohnraum, kulturellen Einrichtungen und Arbeitsplätzen. Insbesondere die Schaffung von Arbeitsplätzen im Bereich Wasserstofftechnologie soll den Stadthafen klimaneutral gestalten und Gelsenkirchen zu einem innovativen Wirtschaftsstandort entwickeln. Die Stadt hat das Ziel, ihre einstige Identität als „Solarstadt“ wiederzubeleben, nachdem frühere Initiativen, wie der Wissenschaftspark zur Förderung der Solarindustrie, nicht die gewünschten Erfolge brachten.
Der Blick in die Zukunft
Während sich Gelsenkirchen nach wie vor mit den negativen Assoziationen ihrer Vergangenheit auseinandersetzt, ist der FC Schalke 04 ein hoffnungsvolles Symbol für einen möglichen Aufbruch. Der Aufstieg des Vereins in die erste Bundesliga am 7. Mai 2022 wurde von vielen als hoffnungsvolles Zeichen für die Stadt gedeutet. Dennoch bleibt die Herausforderung groß, ein attraktives Bild für Investoren zu entwerfen, um neue Unternehmen anzuziehen. Zentrale Faktoren dafür sind bezahlbarer Wohnraum, eine gute soziale Infrastruktur und kulturelle Vielfalt.
Oberbürgermeisterin Welge macht deutlich, dass die Lebensverhältnisse in Gelsenkirchen dringend verbessert werden müssen, um den Bürgern Perspektiven zu geben und sie zu motivieren. In diesem Kontext bleibt die Frage, wie die Stadt trotz ihrer Schwierigkeiten einen Weg aus der Krise findet und gleichzeitig ein positives Image aufbauen kann. Auch für Silke, die trotz ihrer kritischen Ansichten zur Schaffung eines positiven Umfelds für ihre Stadt beiträgt, bleibt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bestehen.
Die „Stern-TV-Reportage“ über Silke und ihre Erfahrungen in Gelsenkirchen wurde am 9. April ausgestrahlt und ist weiterhin on demand bei RTL+ verfügbar. Ein klarer Aufruf, die Realität in der Stadt nicht zu ignorieren und die Herausforderungen aktiv anzugehen, scheint nötiger denn je.
Inmitten dieser komplexen Landschaft der sozialen Veränderungen und politischen Strömungen bleibt Gelsenkirchen ein Ort des Wandels, der sowohl Schwierigkeiten als auch Potenziale in sich birgt. Die zukünftige Entwicklung wird entscheidend davon abhängen, ob es der Stadt gelingt, eine positive Perspektive für ihre Bürger zu schaffen und zugleich die notwendigen wirtschaftlichen Grundlagen zu legen.
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