
Bei einem bedeutsamen Gipfeltreffen in Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über die Notwendigkeit debattiert, neue Waffen zu beschaffen. Ziel ist es, die Verteidigungsfähigkeit Europas zu erhöhen. Doch zwei zentrale Fragen bleiben umstritten: Wer wird die Rüstungsgüter produzieren und woher kommen die finanziellen Mittel? Die EU-Kommission schätzt, dass Europa in den nächsten zehn Jahren zusätzlich 500 Milliarden Euro investieren muss. Diese Diskussion fand in einem 500 Jahre alten Palast statt, um eine vertrauliche Atmosphäre zu schaffen.
Insgesamt nahmen 27 EU-Länder an dem Gipfel teil, um über die aktuelle Sicherheitslage zu sprechen. Die Herausforderungen sind vielfältig: der Krieg in der Ukraine, das aggressive Verhalten Russlands und der Druck von US-Präsident Donald Trump, der von den NATO-Staaten höhere Verteidigungsausgaben fordert. Trump verlangt, dass die NATO-Mitglieder mindestens 2% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Im Jahr 2024 planen NATO-Staaten, etwa 2,71% ihres BIP für Verteidigung auszugeben, was sich auf insgesamt 1,5 Billionen US-Dollar summiert. Besonders kritisiert wird, dass sieben EU-Länder diese Quote nicht erreichen.
Uneinigkeit über Finanzierung und Produktion
Die Diskussion um die Finanzierung neuer Rüstungsprojekte bleibt angespannt. Während Emmanuel Macron eine stärkere Betonung auf europäische Unternehmen legt und mehr gemeinsame Schulden fordert, lehnen Länder wie Deutschland, die Niederlande und Österreich diese Vorschläge ab. Macron plädiert für eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie, unterstützt von Staaten wie Spanien, Italien und Polen, sowie Ursula von der Leyen. Deutschland sieht solche Schulden als nicht zielführend. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz bestätigt, dass die EU keine gemeinsamen Schulden aufnehmen wird und verweist auf den bereits beschlossenen Wiederaufbaufonds von 800 Milliarden Euro, der lediglich einmalig sein soll.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) könnte eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung übernehmen. Sie dürfte allerdings nur dual-use-güter finanzieren, was eine Änderung der aktuellen Regeln erfordert. Margrethe Vestager, die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, hebt hervor, dass die Verteidigungsausgaben in verschiedenen Waffensystemen fließen, die oft außerhalb der EU erworben werden. Diese Entwicklungen stehen im Kontext der Europäischen Verteidigungsindustriestrategie (EDIS), die darauf abzielt, die Verteidigungsindustrie innerhalb Europas zu erhalten und zu stärken.
Strategische Autonomie und Kooperation
Im Rahmen der EDIS wird ein legislativvorschlag für ein Programm zur Unterstützung der europäischen Verteidigungsindustrie (EDIP) vorgestellt, das in den Jahren 2025 bis 2027 insgesamt 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt bereitstellt. Ziel ist es, bis 2030 mindestens 40% der Verteidigungsgüter kooperativ zu beschaffen. Josep Borrell, der hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, sieht hierin einen Paradigmenwechsel für die EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung.
Die Zukunft der Verteidigungsstrategie in Europa steht also im Zeichen neuer finanzieller Erfordernisse und der Notwendigkeit, die Zusammenarbeit innerhalb der EU zu stärken. Während einige Länder bereit sind, gemeinsame Lösungen zu finden, stehen andere dem skeptisch gegenüber. Die Diskussionen des Gipfels zeigen die Dringlichkeit, mit der Europa seiner defensiven Unabhängigkeit und der Fähigkeit, seine Grenzen zu sichern, begegnen muss.