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Ehemalige Spitzenturnerinnen fordern unabhängige Aufklärung im DTB-Skandal

Ehemalige Spitzenturnerinnen fordern in einem offenen Brief eine unabhängige Untersuchung zu Missbrauchsvorwürfen im deutschen Turnen. Bedenken zur Neutralität der beauftragten Kanzlei stehen im Mittelpunkt.

In einem drängenden und emotionalen Schritt fordern 28 ehemalige Spitzenturnerinnen in einem offenen Brief an den Deutschen Turner-Bund (DTB), den aktuellen Untersuchungsauftrag an die Kanzlei Rettenmaier zurückzunehmen. Dieser Brief richtet sich an den DTB-Vorstand, das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), das Sportministerium Baden-Württemberg sowie den Landessportverband Baden-Württemberg. Unter den Unterzeichnerinnen sind prominente Namen wie Janine Berger, Lara Hinsberger und Sophie Scheder, die alle auf die Missbrauchsvorwürfe innerhalb des deutschen Turnens aufmerksam machen möchten. Sie argumentieren, dass die Kanzlei Rettenmaier nicht unabhängig ist, was insbesondere aus Erfahrungen der Aufarbeitung von Vorfällen am Bundesstützpunkt in Chemnitz vor vier Jahren resultiert. Sophie Scheder äußerte Bedenken zur Objektivität der Kanzlei, da sie von Missbrauchsvorwürfen gegen ihre Trainerin betroffen war. Der Vorwurf ist, dass die Kanzlei, unter der Leitung von Felix Rettenmaier, aufgrund seiner engen Verbindungen zum deutschen Sportsystem möglicherweise nicht unvoreingenommen agieren kann.

Ethik-Professorin Natalie Barker-Ruchti hebt hervor, wie entscheidend Unabhängigkeit und Transparenz für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen sind. Die Unterzeichner fordern eine neutrale und unabhängige Untersuchung, analog zur umfassenden Aufarbeitung des Turnskandals in der Schweiz, die vom zuständigen Sportministerium vorangetrieben wurde. Während das BMI den DTB 2024 mit über 4,7 Millionen Euro förderte und eine weitere Förderung von 3,7 Millionen Euro für 2023 plant, betont es die Notwendigkeit eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport, um Gewalt im Sport zu untersuchen. Allerdings liegt die Untersuchungs- und Disziplinargewalt in erster Linie bei den autonomen Sportorganisationen.

Konsequenzen für den DTB

Der Skandal um die Missbrauchsvorwürfe im deutschen Turnern hat auch personelle Konsequenzen. Ulla Koch, die ehemalige Bundestrainerin, hat vorübergehend als Vizepräsidentin des DTB zurückgetreten, um einen optimalen Aufarbeitungsprozess zu gewährleisten. Dieser Schritt kam nach schweren Vorwürfen von ehemaligen Auswahl-Turnerinnen, die über systematischen körperlichen und mentalen Missbrauch sowie katastrophale Umstände beim Stützpunkt in Stuttgart berichteten. Das Trainer-Duo, das vorläufig freigestellt wurde, wird nicht in den Trainingsbetrieb zurückkehren.

Die Berichterstattung über die Missbrauchsvorwürfe, die unter anderem von den ehemaligen Spitzenturnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm bekannt wurde, hat auch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und das Kultusministerium Baden-Württemberg dazu veranlasst, eine genaue Aufarbeitung zu fordern. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt, um die Vorwürfe näher zu beleuchten. Weitere Neuigkeiten im Aufklärungsprozess sind in den kommenden Tagen zu erwarten.

Inspiration aus internationalen Skandalen

Die Vorfälle im deutschen Turnen werden von den jahrzehntelangen Missbrauchsskandalen in anderen Ländern überschattet. Beispielsweise erlangten die Magglingen-Protokolle in der Schweiz Aufsehen, in denen 2020 systematische Missbräuche in der Kunstturnausbildung dokumentiert wurden. Hier berichteten acht Athletinnen von Einschüchterungen und Misshandlungen durch Trainer. Auch in den USA gab es einen ähnlich erschütternden Fall, in dem ein Sportarzt hunderte Frauen und Mädchen sexuell missbrauchte, darunter Olympiasiegerinnen wie Simone Biles. Nach den Aufdeckungen wurden zahlreiche Täter zur Rechenschaft gezogen, wovon manche Freiheitsstrafen erhielten.

Zahlreiche Statistiken zeigen, dass ein erheblicher Anteil der Leistungssportler in Deutschland Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht hat, wobei über 1/3 der Sportler von solchen Vorfällen berichteten. Safe Sport e.V., eine Beratungsstelle für Betroffene von Gewalt im Sport, wurde gegründet, um ein gewaltfreies und vertrauensvolles Sportumfeld zu fördern. Eltern werden aufgefordert, sich nach Präventionsmaßnahmen in Vereinen zu erkundigen und auf Warnsignale bei ihren Kindern zu achten.

Das alles verdeutlicht, wie wichtig es ist, aktuelle Vorwürfe ernst zu nehmen und unabhängige Aufklärungen zu fordern. Die betroffenen Athletinnen verdienen nicht nur Gehör, sondern auch eine umfassende und faire Aufarbeitung ihrer Erfahrungen. Ein schockierendes Kapitel im deutschen Sport, das hoffentlich bald zu Veränderungen führt.

Referenz 1
www.swr.de
Referenz 2
www.welt.de
Referenz 3
www.deutschesporteltern.de
Quellen gesamt
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