
Rund ein Sechstel der Menschen in Deutschland leidet an psychischen Problemen oder Störungen, wie der Bundesgesundheitssurvey (BGS) zeigt. Angesichts des weit verbreiteten Bedarfs nach therapeutischen Interventionen übersteigt die Nachfrage nach Therapieplätzen das Angebot erheblich. Dies führt zu langen Wartezeiten, die viele Betroffene frustrieren. Um diese Lücke zu schließen, gewinnen digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) zunehmend an Bedeutung und werden sogar von gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Derzeit gibt es über 50 DiGAs, von denen etwa die Hälfte Programme zur psychischen Unterstützung sind, berichtet der Weser-Kurier.
Diese digitale Unterstützung kann von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet werden, wobei die Wirksamkeit, der Datenschutz und die Benutzerfreundlichkeit durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft werden. Versicherte müssen in der Regel einen Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen, um eine DiGA in Anspruch nehmen zu können. Die Anwendungen richten sich vorwiegend an Menschen mit leichter bis mittelschwerer psychischer Belastung. Funktionen dieser DiGAs beinhalten geführte Selbsthilfeprogramme basierend auf kognitiver Verhaltenstherapie, Tagebuch- und Tracking-Funktionen zur Dokumentation von Stimmungen, Entspannungsübungen und Psychoedukation.
Wirksamkeit und Evaluation von digitalen Interventionen
Besonders im Bereich von Angststörungen zeigen erste Evaluationsstudien, dass internetbasierte Interventionsprogramme vielversprechend sind. Diese Programme können in einem gestuften Behandlungsmodell eingesetzt werden und helfen, Versorgungsengpässe zu überwinden. Untersuchungen belegen, dass Onlineinterventionen in der Regel ähnliche Effekte wie die traditionelle Psychotherapie erzielen. Der Ärzteblatt hebt hervor, dass vor allem kognitiv-behaviorale Ansätze bei der Behandlung von Angststörungen wirksam sind und professionelle Kontakte die Wirksamkeit und Adhärenz erhöhen.
Die Verschlechterungsrate bei Onlineinterventionen beträgt durchschnittlich nur 2,9 Prozent. Dennoch gibt es Einschränkungen. Digitale Anwendungen sind nicht die Lösung für alle Probleme. Bei schweren Depressionen und Trauma-Folgestörungen sind sie nicht geeignet. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) gibt daher Empfehlungen zur Anwendung digitaler Interventionen. Diese betonen die Notwendigkeit, dass Psychotherapeuten sich mit den vorhandenen digitalen Angeboten vertraut machen und deren Wirksamkeit kritisch prüfen müssen.
Der Trend zu e-Mental-Health
Die Verbreitung von Smartphones, Tablets und Computern in unserem Alltag hat auch das Gesundheitswesen erreicht. Die Anwendung von e-Mental-Health-Produkten, die auf anerkannten psychotherapeutischen Techniken basieren, erweitert die Möglichkeiten für Patienten, Selbstmanagement und Unterstützung zu erhalten. Diese digitalen Interventionen bieten nicht nur eine Überbrückung von Wartezeiten, sondern können auch präventiv für Risikogruppen oder in Phasen der Rückfallprophylaxe eingesetzt werden.
Trotz des breiten Spektrums an internetgestützten Angeboten bleibt die Orientierung für Betroffene eine Herausforderung. Ein erheblicher Teil der verfügbaren digitalen Programme hat sich als wirksam erwiesen, besonders bei Depressionen und Angststörungen. Die DGPPN sowie das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit setzen sich mit ihrem transnationalen Projekt eMEN dafür ein, Kriterien zu entwickeln, die Ärzten, Psychotherapeuten und Nutzern helfen, wirksame Interventionen zu identifizieren. Die Zukunft der Psychotherapie könnte somit zunehmend digital geprägt sein, was den Zugang zu notwendiger Unterstützung erleichtert.