
Die deutsche Luftfahrt steckt in einer tiefen Krise, die sich nach den massiven Einbrüchen während der Corona-Pandemie weiter verschärft. Während sich die Luftfahrtbranche weltweit allmählich erholt, ist Deutschland im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Remszeitung berichtet, dass im Jahr 2024 die Zahl der Fluggäste in Deutschland um 20% im Vergleich zu 2019 gesunken ist. Nur Schweden konnte eine noch trägere Erholung verzeichnen. In der Zwischenzeit haben Länder wie Griechenland, Polen und Italien ihr Fluggastaufkommen im Vergleich zu 2019 übertroffen.
Ein entscheidender Faktor für diesen Rückgang ist das reduzierte Sitzplatzangebot. Im Vergleich zu 2019 boten Airlines im vergangenen Jahr fast 30% weniger Flugzeugsitze an. Besonders dramatisch ist der Rückgang bei Inlandsflügen, wo sich das Angebot um mehr als die Hälfte verringert hat. Besonders betroffen sind klassische Urlaubsländer wie Spanien und Italien, während das Sitzplatzangebot für Flüge in die Türkei und Griechenland zugenommen hat. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Die Entlassungen während der Pandemie haben dazu geführt, dass viele Airlines nicht in der Lage sind, die reduzierte Flotte wieder aufzufüllen. Außerdem wird der Flugzeugbau durch Lieferkettenprobleme bei Herstellern wie Airbus und Boeing beeinträchtigt.
Steigende Kosten und Ticketpreise
Die Ticketpreise in Deutschland haben deutlich angezogen. Internationale Flüge sind im Durchschnitt um mehr als 50% teurer geworden, während die Preise für Inlandsflüge um mehr als 20% gestiegen sind. Diese Erhöhung der Ticketpreise hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen auf Flugreisen verzichten, insbesondere angesichts der hohen Inflation. Mehrere Billigairlines, darunter Ryanair, Eurowings und Easyjet, haben sich von deutschen Flughäfen zurückgezogen. Der BDL berichtet, dass die hohen Standortkosten in Deutschland als Hauptursache für die „Flugzeugflucht“ identifiziert werden. Flughafenentgelte und staatliche Abgaben, wie die Luftsicherheitsgebühr, sind hier besonders hoch. Am schwersten belastet ist die Luftverkehrssteuer, die sich seit der Pandemie mehr als verdoppelt hat.
Die wirtschaftliche Lage wird durch eine schockierende Prognose verstärkt: Im Jahr 2025 wird eine weitere Kostenerhöhung um 12 Milliarden Euro erwartet. Währenddessen stagnierte der innerdeutsche Luftverkehr 2024 bei rund 50% des Vor-Corona-Niveaus und im restlichen Europa wuchs das Angebot an Inlandsflügen auf 96% des Niveaus von 2019.
Wettbewerbsverzerrungen und Zukunftsperspektiven
Im Kontext der aktuellen Herausforderungen zeigt eine Untersuchung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dass Wettbewerbsverzerrungen im Luftverkehr zwischen Europa und China bestehen. So stieg der Anteil der Passagiere, die mit chinesischen Airlines flogen, von einem Drittel im Jahr 2010 auf fast das Doppelte. Die Sperrung des russischen Luftraums zwingt europäische Fluggesellschaften, lange Umwege nach Ostasien zu fliegen, was nicht nur die Kosten erhöht, sondern auch Umweltbelastungen verursacht. Chinesische Airlines können hingegen weiterhin kürzere Routen durch den russischen Luftraum nutzen.
Die Branche steht vor langfristigen Herausforderungen. Ziel ist ein verstärkter Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen (SAF), um die CO₂-Emissionen zu senken. Allerdings wird erwartet, dass klimaneutrale Kraftstoffe bis 2050 nur einen Teil des Bedarfs decken können. Eine Analyse von Statista verdeutlicht, dass die Luftfahrt in Deutschland sich nicht vollständig von den Nachwirkungen der Pandemie erholt hat. Der Rückgang von Geschäftsreisen und die Verlagerung auf Online-Meetings sowie die Zunahme der Nutzung von Bahnverbindungen haben ebenfalls die Passagierzahlen beeinflusst.