
Am 18. Januar 2025 fiel der Startschuss für das Kulturhauptstadtprogramm in Chemnitz, was von einer Vielzahl an Protesten und Demonstrationen begleitet wurde. Während des Eröffnungstags mobilisierten sich laut Polizei rund 1000 Menschen, um gegen eine von den rechtsextremen Freien Sachsen veranstaltete Demonstration zu protestieren. Die Freien Sachsen zogen mit etwa 400 Teilnehmern durch die Straßen der Stadt, wobei es während des Aufzugs zu gefährlichen Vorfällen kam.
Zeugenberichten zufolge wurde Pyrotechnik gezündet, und ein Jugendlicher steht im Verdacht, ein Feuerwerkskörper auf einen Polizisten geworfen zu haben. Der Beamte erlitt infolgedessen ein Knalltrauma. Gegen den Jugendlichen wird nun wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen Volksverhetzung, angesichts ausländerfeindlicher Gesänge und Rufe, ein. Die Situation am Eröffnungstag war angespannt, und die Polizei war mit über 1.000 Beamten aus verschiedenen sächsischen Städten sowie Brandenburg, Thüringen und Tschechien im Einsatz, um die Versammlungen zu sichern.
Gegenproteste und Widerstand
Die Demonstration der Freien Sachsen wurde von einer Gegenversammlung begleitet, deren Teilnehmer unter dem Motto „Für ein demokratisches Europa! Für ein demokratisches Chemnitz!“ auftraten. Diese versuchten, den Aufzug der Rechten zu blockieren und begleiteten die Versammlung mit Slogans wie „Naziaufmarsch verhindern! – Kulturhauptstadt feiern!“. Mehrere hundert Menschen ließen sich dabei nicht davon abhalten, die Route der Freien Sachsen zu blockieren, was dazu führte, dass sich der Demonstrationszug umleiten musste. In einzelnen Kleingruppen versuchten die Gegendemonstranten, auf die Strecke der Freien Sachsen zu gelangen, was die Polizei zu sofortigem Eingreifen veranlasste.
Die führenden Kräfte im rechtsextremen Spektrum, wie Martin Kohlmann, der eine zentrale Rolle bei den Freien Sachsen spielt, haben ihre Wurzeln in den gewaltsamen Auseinandersetzungen von 2018 in Chemnitz. Damals mobilisierte sich die Stadt nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Deutsch-Kubaner und führte zu einem enormen Anstieg von Neonazi-Demonstrationen. Diese Ereignisse haben sich als Schlüsselmoment für die Radikalisierung der AfD und der rechtsextremen Szene erwiesen. Laut dem Politikwissenschaftler Prof. Matthias Quent gilt Chemnitz als ein Inkubator für rechtsterroristische Mobilisierungen.
Die historische Dimension des Konflikts
Die Ereignisse von 2018 sind nicht nur ein bedeutender Teil der regionalen Geschichte Chemnitz’, sondern spiegeln einen landesweit steigenden Trend wider, der 2018 in der Gründung von Gruppen wie „Revolution Chemnitz“ mündete und zu zahlreichen gewaltsamen Vorfällen führte. Chemnitz wird zunehmend als ein Beispiel für eine Gesellschaft betrachtet, die sich radikalisiert und die Gewalt normalisiert. Immer wieder wird deutlich, dass rechtsextreme Gewalt nach wie vor eine klare Bedrohung darstellt, die sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene agiert und dabei auch mehrheitlich männliche Täter anzieht.
Im ersten Halbjahr 2023 registrierte die Polizei 74 rechtsmotivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte und 600 Straftaten gegen Geflüchtete und Asylsuchende. Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichen die ansteigende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft, die in dem Kontext von Protestbewegungen und Gegendemonstrationen zu beobachten ist. Der Bundesinnenminister bezeichnete Rechtsextremismus als die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland. Mit dem Anstieg solcher Bewegungen ist es umso wichtiger, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und allen Formen von Extremismus entgegenzuwirken.
Am Eröffnungstag des Kulturhauptstadtprogramms in Chemnitz war die Stadt somit erneut Schauplatz eines Konflikts, der auf jahrzehntelange Spannungen und eine zunehmend polarisierten Gesellschaft zurückblickt. In dieser komplexen Gemengelage ist die fortwährende Auseinandersetzung mit der Geschichte und der aktuellen politischen Realität für Chemnitz und darüber hinaus von großer Bedeutung.
Für weiterführende Informationen zu den Hintergründen und Entwicklungen rund um diesen Themenkomplex, siehe FAZ, WDR und BPB.