
Im Jahr 2023 wurde in Aschersleben ein ambitioniertes Revitalisierungsprojekt realisiert, das auf die Umwandlung von Plattenbauten aus DDR-Zeiten zielt. Mike Eley, Geschäftsführer der Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH (AGW), hat bereits 2019 das Autarkie-Team kontaktiert, um ein innovatives Konzept zur Sanierung und Umnutzung dieser Bausubstanz zu entwickeln. Angesichts eines Leerstands von rund 10 Prozent und der guten Bausubstanz der Plattenbauten hatten Abriss und Neubau weitreichende ökologische Konsequenzen. Abrissmaßnahmen erzeugen beträchtliche Mengen an grauer Energie, die es zu vermeiden gilt. Daher soll die Revitalisierung in Form energieautarker Mehrfamilienhäuser erfolgen, um diese für Mieter attraktiver zu gestalten. Focus berichtet, dass …
Ein zentrales Problem ist die Wirtschaftlichkeit in einer strukturschwachen Region. Das Autarkie-Team äußerte Bedenken hinsichtlich der Mietpreise und der zukünftigen Rentabilität des Projekts. Prof. Timo Leukefeld, ein führender Experte auf diesem Gebiet, unterstützt das Vorhaben und hat bereits das erste bezahlbare energieautarke Haus Europas entwickelt. Durch Umfragen im Vorfeld des Projektes wurde deutlich, dass viele Mieter bereit sind, zusätzliche Energiekosten zu tragen, die zwischen 5 und 7 Euro pro Quadratmeter und Monat liegen. Den Mietern fallen damit höhere Energiekosten an, sodass sie mehr für Energie ausgeben als für die Kaltmiete von 5,50 Euro pro Quadratmeter. Dies verdeutlicht den Handlungsbedarf, besonders in Zeiten steigender Nebenkosten.
Innovative Sanierungsmaßnahmen
Der Umbau eines Plattenbau-Blocks in Aschersleben begann im März 2022 und umfasst die Entfernung von zwei Etagen sowie die Schaffung von 22 großzügig gestalteten Wohnungen. Um eine hohe Energieautarkie zu erreichen, werden neben Photovoltaikmodulen zur Solarstromproduktion auch Infrarotheizungen eingesetzt. Diese betrieben mit Solarenergie senken die Investitionskosten für die Heizsysteme maßgeblich. Das Resultat: Über 60 Prozent des jährlichen Strombedarfs wird durch Solarstrom gedeckt; an sonnigen Sommertagen sogar bis zu 100 Prozent. Die Energiekosten für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom belaufen sich auf lediglich 50 Euro pro Monat und Wohneinheit. Zusätzlich ermöglichen gemeinschaftliche E-Fahrzeuge, die kostenfrei an Elektroladestationen aufgeladen werden können, einen weiteren Beitrag zur Reduzierung der Betriebskosten.
Besonders interessant ist das neu entwickelte, dezentrale Warmwasserboiler-System, das den Autarkiegrad weiter steigert. Dieser kann selbst erzeugten Strom in Form von warmem Wasser bis zu zwei Tage speichern und steigert die Energieeffizienz um 5-10 Prozent. Simulationen haben ergeben, dass in mehr als 90 Prozent der Fälle der Überschussstrom ausreicht, um den Energiebedarf zu decken. Ein einfaches Zeitschaltuhr-System regelt die Nutzung des PV-Stroms im saisonalen Verlauf, besonders zwischen März und Oktober. Energiezukunft betont, dass …
Nachhaltigkeit im Gebäudebereich
Die Revitalisierung an sich spiegelt eine grundlegende Notwendigkeit im deutschen Wohnungsmarkt wider. Angesichts des knappen und teuren Wohnraums in Großstädten sowie des Leerstands in Randlagen wird ein Umdenken gefordert. Politiken fokussieren sich oft auf Neubau, dabei hat dieser erhebliche ökologische Folgen: den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen und die Erhöhung von Treibhausgasemissionen. Eine nachhaltige Raumentwicklung sollte den Fokus auf die Revitalisierung bestehender Immobilien richten. Das Policy-Paper „Revitalisieren statt neu bauen! – Regional denken und Wohnraum nachhaltig schaffen“ vom IÖR fordert zur Integration von Schrumpfung und Wachstum und zeigt Wege auf, die überlasteten Großstädten und den nicht ausgelasteten Klein- und Mittelstädten gerecht werden. IÖR thematisiert, dass …
Abschließend lässt sich sagen, dass der Ansatz, Plattenbauten in energieautarke Mehrfamilienhäuser umzuwandeln, nicht nur ökologisch vorbildlich ist, sondern auch als wirtschaftlich tragfähig gilt. AGW plant, bis 2025 zwei weitere Plattenbauten in Aschersleben nach diesem Modell zu sanieren. Das aktuelle Projekt hat bereits 2023 den 20. DW-Zukunftspreis erhalten, was den innovativen Charakter und die Relevanz solcher Projekte im Kontext der heutigen Baupolitik unterstreicht.