
Die Debatte über den Umgang mit psychischen Erkrankungen in Verbindung mit Straftaten hat nach der Gewalttat in Aschaffenburg an Fahrt aufgenommen. Der Täter, ein polizeibekannter Mann aus Afghanistan, hatte einen abgelehnten Asylantrag und war ausreisepflichtig. Bei ihm gab es bereits 18 Ermittlungen, darunter wegen Körperverletzung. Der Vorfall wirft die drängende Frage auf, warum das Gefährdungspotenzial des Täters nicht frühzeitig erkannt wurde. In diesem Zusammenhang wurde im Abgeordnetenhaus Berlin die Anzahl der Personen erfragt, die dem Profil des Täters entsprechen – also Straftäter, psychisch erkrankt und abgelehnte Asylbewerber. Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) bestätigte, dass es derzeit keine systematische Erfassung solcher Personen gibt.
Derweil äußerte die Berliner Polizeigewerkschaft den dringenden Wunsch nach einer systematischen Datenbank für polizeibekannte Straftäter mit psychischen Erkrankungen und Asylanträgen. Diese Datenbank soll Sicherheitsbehörden und Psychiater bei der Risikobewertung unterstützen. Aktuell existieren in Berlin lediglich 814 personengebundene Hinweise zu psychischen und Verhaltensstörungen, die jedoch lediglich für taktische Zwecke genutzt werden. Kritiker der Idee einer Datenbank heben hervor, dass psychische Erkrankungen nicht generell mit einem erhöhten Gewaltrisiko verknüpft sind, wie die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) betont.
Vorurteile und Stigmatisierung
Die DGPPN lehnt eine zentrale Register-Erfassung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ab. Aus ihrer Sicht führt ein solches Register zu Stigmatisierung und könnte Betroffene davon abhalten, Hilfe zu suchen. Psychische Erkrankungen sind weit verbreitet, etwa ein Drittel der Bevölkerung leidet jährlich unter einer derartigen Störung. Historisch gesehen gab es stets Vorurteile gegenüber psychisch Erkrankten, die bis heute fortbestehen. Viele Menschen mit psychischen Problemen erfahren Diskriminierung und können soziale Isolation erleben. Oft werden sie im Arbeitsumfeld als inkompetent wahrgenommen oder im privaten Umfeld gemieden. Die Wahrnehmung, dass psychisch Erkrankte als „anders“ gelten, führt dazu, dass sie häufig ihren sozialen Status verlieren und sich zurückziehen.
Die DGPPN mahnt die Notwendigkeit von Reformen, Strukturen und Ressourcen an, um frühzeitige und koordinierte Behandlungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen sicherzustellen. Nur so könne Gewaltprävention nachhaltig gestaltet werden. Statistiken zeigen, dass unter terroristischen Gewalttätern nicht mehr psychisch kranke Menschen zu finden sind als in der Allgemeinbevölkerung. Darüber hinaus ist bekannt, dass psychische Erkrankungen behandelbar sind und eine adäquate Versorgung das Risiko für Gewalttaten signifikant reduzieren kann.
Die Polizei-Gewerkschaft erkennt zwar an, dass nicht jede Tat durch eine Datenbank verhindert werden kann, fordert jedoch bessere Strukturen für Sicherheitsbehörden. Ein zentraler Punkt ist die Priorisierung von gefährlichen und psychisch labilen Personen in Behandlung und Abschiebung. Solche Maßnahmen sind notwendig, um einer Wiederholung von Vorfällen wie in Aschaffenburg entgegenzuwirken.
Die Rolle der Gesellschaft
In der Gesellschaft zeigt sich weiterhin eine hohe Stigmatisierung von psychisch Erkrankten. Menschen mit Schizophrenie zum Beispiel werden häufig als gefährlich angesehen, während Personen mit Suchterkrankungen oft in der Verantwortung für ihre Erkrankung gesehen werden. Diese Vorurteile können zu einem Mangel an sozialer Unterstützung führen und die Genesung erschweren. Experten betonen, dass die Diskriminierungserfahrungen, die viele Betroffene machen, Stress verursachen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie ihre Erkrankung verheimlichen.
Programme wie „In Würde zu sich stehen“ sollen Betroffenen helfen, der Stigmatisierung entgegenzuwirken. Jeder Einzelne ist dazu aufgerufen, sich gegen Diskriminierung einzusetzen und den Kontakt zu Menschen mit psychischen Erkrankungen zu suchen. Unterstützung und Ermutigung zur Hilfesuche sind entscheidend, insbesondere in Krisensituationen. Die komplexe Beziehung zwischen psychischer Gesundheit und Gewaltverhalten erfordert eine differenzierte Betrachtung, die auf einem fundierten Verständnis basiert und Vorurteile abbaut.
Die Geschehnisse in Aschaffenburg und die anschließende öffentliche Diskussion verdeutlichen, wie wichtig es ist, eine fundierte und wohlüberlegte Herangehensweise zu finden, die sowohl den Schutz der Gesellschaft als auch die Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen berücksichtigt.